Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 25.01.2008

Wechselstimmung in der SPD – Ratlosigkeit in der CDU

Regierungschef Milbradt verliert nicht nur Rückhalt in der eigenen Partei. Die SPD sorgt mit Attacken für zusätzlichen Druck.
 
Georg Milbradt hätte wenigstens an diesem Tag wieder ein strahlender Sieger sein können. Aber siegesgewiss, gar kämpferisch während dieser langen, heftigen Landtagsdebatte zur Kreisreform zeigte er sich nicht. Stattdessen saß der 62-Jährige an diesen entscheidenden Abstimmungstagen in sich gekehrt auf der Regierungsbank oder in der Fraktion. Hart und unnahbar, nachdenklich. Dabei nahm gerade sein ehrgeizigstes Reformprojekt dieser Legislaturperiode die letzte Hürde. Nur, dass derzeit kaum jemand glaubt, dass dies allein Milbradt wieder aus seinem politischen Tief holen könnte.

Das Zweckbündnis mit der SPD wackelt

Bisher schien es noch eine Art Stillhalte-Abkommen zwischen CDU- und SPD-Spitze gegeben zu haben: was die Klärung der politischen Verantwortung für das Landesbank-Desaster angeht – saßen immerhin Spitzenpolitiker beider Parteien in den Aufsichtsgremien. Doch dieses Band bröckelt zusehends. Kurz vor Weihnachten hatte SPD-Fraktionschef Martin Dulig den Ministerpräsidenten bereits indirekt zum Rücktritt aufgefordert. Nichts geschah. Doch als nun am späten Mittwochabend der SPD-Haushaltsexperte Mario Pecher dem Regierungschef gar „Veruntreuung von Hunderten von Millionen Euro“ vorwarf, war das Unions-Maß voll. Ein heftiges Donnerwetter zwischen CDU- und SPD-Spitze hinter verschlossenen Türen folgte. Pecher erhielt gestern mit einem Tag Verspätung einen Ordnungsruf des Landtagspräsidenten Gunther Hatzsch (ebenfalls SPD) für seine kriminalisierende Äußerung.

Und SPD-Fraktionschef Dulig durfte öffentlich zurückrudern: Pechers Äußerungen und auch Karl Nolles Rücktrittsforderungen an Milbradt seien „nicht die Meinung der Fraktion“. Weitere klare Botschaft: Die SPD bleibe in der Koalition. Damit war das abrupte Ende einer dieser kleinen SPD-Attacken gegen Milbradt besiegelt, deren Abstände immer kürzer werden. Doch der SPD-Basis, deren Zorn über das Landesbank-Debakel groß ist, dürfte das irgendwann nicht mehr reichen. Und so bleibt die Koalition, die seit dieser Woche ihre größten Reformprojekte bis auf das Hochschulgesetz abgearbeitet hat, ein wackliges Zweckbündnis. Doch noch scheut die SPD-Spitze einen Bruch. Zu groß ist die Angst vor einem Wahlkampf 2009 aus der Opposition heraus.

Der Rückhalt in der CDU bröckelt

Mit ihrer jüngsten überraschenden Attacke haben die vorgepreschten Sozialdemokraten aber vermutlich, zumindest kurzfristig, das Gegenteil erreicht von dem, was sie eigentlich wollen: Bei Angriffen von außen schließen sich erfahrungsgemäß die Reihen der Union. Und das könnte Milbradt – zumindest kurzfristig – nützen. Denn momentan hält den Regierungschef vor allem die Mutlosigkeit seiner parteiinternen Widersacher noch im Amt. Weil keiner der Erste sein will, der mit dem Finger auf ihn zeigt und damit riskiert, als „Königsmörder“ in die Parteigeschichte einzugehen. Nicht einmal die Rolle eines möglichen Unterhändlers für einen Übergang ist derzeit besetzt; erst recht nicht eine reale personelle Alternative zu Milbradt gefunden. Die Parteifreunde belauern sich untereinander, ob sich einer heraustraut aus der Deckung. Doch keiner findet sich. Damit geht die Hängepartie für die Sachsen-Union weiter; gepaart mit einer Gruppen-Ratlosigkeit, wie das Regierungsschiff und sein Kapitän wieder flottgemacht werden könnten.

Die Landesbank bleibt die schwerste Hypothek

Dabei bleibt die Landesbank-Krise Milbradts schwerste politische Hypothek. Zum einen gilt es in Bank-Kreisen als höchstwahrscheinlich, dass schon bald ein dreistelliger Millionenbetrag verloren gehen könnte. Dafür müsste Sachsen dann mit einem Teil seiner Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro geradestehen. Zudem muss Milbradt Ende März – auf Drängen der SPD – gleich zwei Tage lang dem Untersuchungsausschuss als Zeuge zur Verfügung stehen. Auch zum genauen Ablauf des Notverkaufs darf er dann befragt werden. Das hat der Landtag gestern beschlossen.

Die Kommunalwahlen werden zum Prüfstein

Wenn Milbradt diese Hürde genommen hat, dürften für ihn die Kreistags- und Kommunalwahlen am 8.Juni zur Schicksalswahl werden. Mit einem Sonderparteitag Ende Mai will die Union nochmals ihre Klientel mobilisieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird in Zwickau erwartet. Das aber würde sie wohl kaum tun, gäbe es bis dahin einen Wechsel an der Spitze des Landes, machen sich CDU-Strategen gegenseitig Mut.
Von Annette Binninger