Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 31.01.2008

Korruptionsaffäre: Linkspolitiker räumt Fehler ein

Klaus Bartl rudert zurück. Er habe zu sehr auf die Arbeit des Verfassungsschutzes vertraut, sagt er.
 
Es gibt eine Reihe von Menschen, bei denen sich Klaus Bartl entschuldigen sollte. Allen voran bei sämtlichen Staatsanwälten und Richtern des Landes. Sie stehen seit Bartls Eingreifen in die sogenannte Korruptionsaffäre unter dem Verdacht, nicht unabhängig und professionell zu sein – eine üble Anschuldigung für jeden Juristen.

Sogar die Generalbundesanwältin wollte der Linkspartei-Politiker einschalten, weil in Sachsen „in brisanten Fällen kein wirklich politisch unabhängiges Agieren zu erwarten“ sei. Was haben die Bundesanwälte in Karlsruhe wohl über Sachsen gelacht.

Jetzt, ganz plötzlich, spürt Rechtsanwalt Bartl „eine neue Qualität von Objektivität“ bei der Staatsanwaltschaft. Und auch sonst erscheint die sogenannte Korruptionsaffäre für ihn in einem anderen Licht. „Ich hätte distanzierter sein sollen“, gab er gestern in einem Interview mit der Chemnitzer „Freien Presse“ zu. „Vor Emotionalität und vorschnellen Bewertungen ist ein Politiker nicht gefeit. Auch ich bin im Mai, Juni 2007 von der Wucht der Vorwürfe voll erwischt worden.“

Zu autoritätsgläubig

Er habe sich wie viele andere von den Akten des Verfassungsschutzes beeindrucken lassen. Als DDR-Bürger leide er offenbar unter zu großer Behörden-Gläubigkeit, erklärt Bartl der SZ. Zu spät habe er sich bewusst gemacht, dass der Verfassungsschutz keine gerichtsfertigen Anklagen schreibe, sondern nur Vorfeld-Ermittlungen betreibe, so Bartl. „Die Staatssicherheit hatte völlig andere Befugnisse als der Verfassungsschutz.“ Wie bitte? Kommt diese Erkenntnis nicht reichlich spät?, möchte man ihm zurufen.

Warum sich Bartl just zu diesem Zeitpunkt in Selbstkritik übt, bleibt unklar. Noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden wegen der angeblichen kriminellen Netzwerke aus Justiz, Immobilienbranche und Rotlichtmilieu. Neulich waren zwei ehemalige Prostituierte zum Verhör erschienen, die frühere Richter als Kunden wieder erkannt haben wollen – was die Betroffenen bestreiten. Die Ermittlungsbehörde hat bereits durchblicken lassen, dass ihrer Meinung nach viel „heiße Luft“ in den Akten steckt.

Bartl hatte im Sommer, als die Affäre begann, schneller als andere gespürt, dass enormer politischer Zündstoff in den Verfassungsschutzakten steckte. Der Oppositionspolitiker sah darin seine Chance, die Regierung aus den Angeln heben zu können.

Er fand Kontakt zu einem der wichtigsten Ermittler bei der Leipziger Polizei gegen Organisierte Kriminalität. Als Anwalt des Polizisten verschaffte er sich Zugang zu Ermittlungsakten und bekam Hintergrundinformationen, mit denen er die Affäre regelmäßig befeuern konnte.

Nicht alles erschwindelt

Flugs kam bei der Opposition die Idee auf, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, der die Regierung in die Zange nehmen sollte. Bartl ließ sich vom Landtag zum Vorsitzenden wählen. Doch er machte es der Regierung durch seine Hau-drauf-Taktik zu leicht, den Untersuchungsausschuss zu blockieren. Bis heute konnten die Abgeordneten nicht einen Zeugen vernehmen oder eine Akte einsehen.

„Dass jedoch alles erschwindelt war, hat sich bisher auch nicht bestätigt“, sagt Bartl in dem Zeitungsinterview. Er fordert nach wie vor die Herausgabe der Verfassungsschutzunterlagen an den Untersuchungsausschuss. Mehr als das habe er auch bisher nie gesagt, schob die Pressestelle der Linksfraktion nach Veröffentlichung des Interviews in einer Interpretationshilfe nach.

Ausgerechnet Innenminister Albrecht Buttolo (CDU), der sich im Mai des vergangenen Jahres auf dem Höhepunkt der sogenannten Affäre mit seiner Die-Mafia-schlägt-zurück-Rede für alle Zeit zum Narren gemacht hat, konnte sich gestern eine gönnerhafte Bemerkung nicht verkneifen: „Ich finde es gut, dass Klaus Bartl die Parteibrille absetzt und wieder einen klaren Blick auf die Dinge hat.“
Von Karin Schlottmann