Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 19.03.2008
Mängel bei Kontrolle der SachsenLB
Gutachter sehen politische Mitverantwortung
Dresden. Als Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) vor einer Woche das Gutachten der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zur SachsenLB vorstellte, war die Lesart der Staatsregierung klar. Die Verantwortung fürs Milliarden-Debakel bei der Landesbank hätten die Bank-Spitzen, die Politik jedenfalls treffe keine Schuld. Die Begründung dafür lieferten Tillich sowie die Staatskanzlei gleich mit. Die Vorstände hätten die Kontrollgremien nur unzureichend bis gar nicht informiert, mangels konkreter Kenntnis tappten die Vertreter aus Politik und Regierung im Dunkeln.
Der Hintersinn dieser Strategie liegt auf der Hand. Finanzressort wie Staatskanzlei wollen auf jeden Fall eine Debatte um das vermeiden, was man politische Verantwortung nennt. Schließlich macht die Opposition Regierungschef Georg Milbradt (CDU) persönlich für den Notverkauf der Landesbank verantwortlich und hat längst seinen Rücktritt gefordert.
Bei genauer Betrachtung des Gutachtens von Ernst & Young allerdings ist die regierungsamtliche Auslegung nur bedingt haltbar. Nach Recherchen dieser Zeitung kommen die Prüfer in ihrer rund 200 Seiten starken Expertise zu einem differenzierteren Schluss, vor allem weisen sie auch auf Kontrollmängel in den Aufsichtsgremien hin. Demnach waren die Regierungsvertreter nicht zuletzt im Kreditausschuss über die Struktur der Milliarden-Deals beim Start der Hochrisikogeschäfte Mitte 2004 weitestgehend im Bilde; und im Juni 2005, als das Volumen der Ramschhypotheken der Banktochter in Dublin exorbitant stieg, hätten sie das Fast-100-Prozent-Risiko fürs Land erkennen können – wenn nicht gar müssen.
Im Zentrum hierbei steht eine Zweckgesellschaft namens Ormond Quay, die am Ende auf über 17 Milliarden Euro aufgeblasen wurde und die Landesbank 2007 in die faktische Pleite geführt hat. Hierzu bemerken Ernst & Young in dem internen Gutachten unter Punkt 504 trocken: „Die Gremienbefassung (Vorstand und Kreditausschuss) mit Ormond Quay im Juni 2004 stellt die Risikolage diesbezüglich adäquat dar und weist darauf hin, dass sämtliche wirtschaftlichen Risiken aus Ormond Quay durch den SachsenLB Konzern getragen werden.“
Dieser Punkt findet sich zwar auch schon in der von Tillich veröffentlichten Kurzfassung des Gutachtens. Allerdings hat der Minister dabei auf den Hinweis verzichtet, dass damit auch die Mitglieder im Kreditausschuss klar in Mithaftung genommen werden. Das waren Mitte 2004 unter anderem Ex-Finanzminister Horst Metz (CDU) und Staatssekretärin Andrea Fischer (CDU).
Noch interessanter sind jene Bemerkungen von Ernst & Young, die sich unter 359 sowie 506 finden und bisher unveröffentlicht sind. Hier stellen die Gutachter zum einen fest, dass das Kreditrisikomanagement der Bank in einem Zweitvotum durchaus „auf das Risiko sich ändernder Marktbedingungen hingewiesen“ hat (359).
Allerdings habe die Abteilung dieses „wegen der guten Ratingqualität der Papiere als vertretbar eingestuft“. Zum anderen bemerken sie, dass die Banker den Kreditausschuss auch noch später zumindest formal korrekt informiert hätten. So drängte offensichtlich der damalige SPD-Staatssekretär Christoph Habermann am 16. Juni 2005 auf die Klärung des „Maximalrisikos“ der Dubliner Geschäfte. Der zuständige Kreditdezernent habe daraufhin mitgeteilt, dass die Landesbank und damit das Land „alle Risiken aus Kursverlusten der Papiere zu tragen hätten“ (359).
Die Schlussfolgerung von Ernst & Young wirft ein Schlaglicht auf die Überforderung der Gremien. Die Info der Banker war „zutreffend, wenn auch möglicherweise nicht allgemeinverständlich“, lautet die bittere Bemerkung, „weitere Nachfragen wurden nicht gestellt“ (506). Doch auch damit sind die Gremien laut Ernst & Young nicht vollends entlastet. Im Gegenteil: „Die Kenntnis der Wirkungsweise mussten Vorstand und Kreditausschuss jedoch insbesondere aufgrund ihrer Befassung mit der Thematik im Juni 2004 haben.“ Im Klartext: Die Politik hatte bis 2005 die Möglichkeit, das Risiko zu erkennen und die Finanzhasardeure in Dublin zu stoppen. Das geschah nicht. Anschließend versandete das Wissen der Kontrolleure endgültig – bis 2007 selbst der Bank-Vorstand die Milliarden-Zockereien nicht mehr überblickte.
von Jürgen Kochinke