Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, Seite 4, 07.04.2008
„SPD muss sich entscheiden, ob sie die Koalition verlässt“
Sachsens CDU-Generalsekretär über neue Vorwürfe vom Regierungspartner
Dresden. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer bewertet im Interview die Vorwürfe gegen Regierungschef Georg Milbradt (CDU).
Frage: Der Ministerpräsident hat sich ausgerechnet an der Immobilie für die sächsische Landesbank beteiligt und auch einen Kredit der SachsenLB in Anspruch genommen. Hat diese Konstruktion nicht ein Geschmäckle?
Michael Kretschmer: Der Ministerpräsident hat getan, was 1700 andere Sparkassen-Kunden auch getan haben. Er und seine Frau haben Anteile an einem Fonds, der von einem Institut der Sparkassen aufgelegt wurde, zu den in dem Prospekt festgelegten Konditionen gezeichnet.
Hatte er nicht einen Informationsvorsprung vor anderen Käufern?
Der Fonds war öffentlich zugänglich, er ist beworben worden, es gab informative Prospekte. Alle Kunden hatten die gleichen Informationen. Fester Teil des Zeichnungsangebots war eine Teilfinanzierung durch die SachsenLB. Die Kreditkonditionen waren dieselben, wie für alle Zeichner.
Sehen Sie nicht eine Vermischung privater und öffentlicher Interessen?
Keineswegs. Die Sparkasse Leipzig und die Landesbank benötigten damals ein neues Gebäude. Dafür sind sie den für sie attraktiven Weg der Fondsfinanzierung gegangen, um Eigenkapital zu sparen, aber trotzdem indirekt an den Sonderabschreibungen Ost zu partizipieren. Fester Bestandteil des Angebots war dabei eine Teilfinanzierung durch die Sachsen LB, denn die in der Konstruktion vorgesehene Kreditfinanzierung durch die Landesbank von 44 Prozent war eine weitere Möglichkeit der Bank zu profitieren. Das Bankenrecht sieht im übrigen für die Mitglieder der Aufsichtsorgane Regeln gegen Interessenkollisionen vor – und diese Regeln sind auch eingehalten worden.
Gab es eine Mietgarantie des Verwaltungsrates über zehn Jahre?
Nein. Soweit ich informiert bin, handelt es sich um ein Leasingmodell. Die Konditionen waren im Prospekt, wie üblich, veröffentlich worden, denn kein Zeichner eines Fonds kauft eine Katze im Sack. Das sieht, soweit ich weiß, auch das Gesetz ausdrücklich vor, denn der Fondszeichner muss ja gegen unseriöse Angebote geschützt werden.
Wie groß war der eingelegte Anteil der Milbradts?
Es geht um jeweils rund 50 000 Euro, von denen 56 Prozent in bar zu entrichten waren. Der Anteil war etwa je ein Promille der Investitionssumme, das ist verschwindend gering. Daran sieht man vor allem den guten Willen, sein Geld so anzulegen, dass es im Land bleibt. Die Rendite entsprach in etwa vergleichbaren Konkurrenzprodukten.
Es gab zu dem Thema bereits mehrere Anfragen von Abgeordneten, die nicht beantwortet wurden. Warum?
Auch ein Spitzenpolitiker hat ein Recht auf Privatsphäre und die privaten Geldanlagen eines Ministers haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Wenn man trotzdem durch die Medien gezerrt wird, ist das besonders bitter, weil Milbradt alle rechtlichen Kriterien eingehalten hat. Wir fragen uns allerdings, warum diese Geschichte gerade jetzt, elf Jahre später, hochkommt. Hier ist die Schmerzgrenze deutlich überschritten worden.
Wird sich Milbradt noch erklären?
Er hat sich über seinen Sprecher erklärt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Das neue Sperrfeuer kommt vor allem von Karl Nolle, also aus der SPD. Will die CDU mit diesem Koalitionspartner noch weitermachen?
Mit dieser Sache ist für uns klar, dass nicht nur Einzelpersonen permanent Stunk machen, sondern dass es eine Doppelstrategie der SPD aus koalieren und opponieren gibt. Aber es ist in höchsten Maße verwerflich, wenn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in dieser unmöglichen Art skandalisiert werden. Es geht der SPD offenkundig nicht darum, Hintergründe über die Schwierigkeiten in der Bank zu erfahren, sondern persönliche Angriffe auf den Ministerpräsidenten zu reiten. Mit dieser Doppelstrategie wird der Erfolg der Koalition kaputt gemacht und dem Ansehen der Politik geschadet.
Macht die Regierung mit der SPD noch Sinn?
Die SPD hat die Tür geöffnet und muss sich entscheiden, ob sie die Koalition verlässt. Falls der SPD etwas an der Regierung liegt, muss sie für ein vernünftiges Miteinander sorgen. Mit Attacken unter der Gürtellinie muss jedenfalls aus Gründen des Anstandes endlich Schluss sein.
Interview: Sven Heitkamp