Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 07.04.2008
Das Gläschen Honig - Milbradts Rivalen arbeiten an der Wiederholung der Geschichte
Kommentar von Hubert Kemper
Es war im Januar 2001, als das CDU-Landtagsmitglied Georg Milbradt seinem früheren Dienstherrn und damals noch amtierenden Ministerpräsidenten die Frage stellte: „Kurt, ist da noch etwas?" Am selben Tag hatte eine überregionale Tageszeitung berichtet, Biedenkopfs Gattin Ingrid habe angeblich bei einem Bauernmarkt in Kamenz ein Gläschen Honig umsonst erhalten. In der CDU-Fraktion eskalierte die Aufregung. Wenige Tage später kündigte ein entnervter Biedenkopf seinen Rücktritt an. Nachfolger wurde der ein Jahr zuvor von ihm gekündigte Milbradt.
Die Geschichte scheint sich zu wiederholen– mit vertauschten Rollen. Biedenkopf scheiterte an Lapalien: Vermeintlichen Mietvorteilen, Bodyguard-Diensten für Frau und Enkel, Honigtöpfchen und Ikea-Rabatt. Vor allem stolperte er über die Entlassung Milbradts und über die Medienkampagne, die dessen Umfeld mit Hilfe des SPD-Mannes Karl Nolle unterstützte. Sieben Jahre später ist Milbradt selbst Zielscheibe von Nolles unbändigem Jagdeifer.
Den aktuellen Treffer könnte ein gefestigter Milbradt abprallen lassen. Schließlich hat er mit seinem Geld ein Engagement in Sachsen gefördert. Doch der angeschlagene Ex-Aufseher der in Not verkauften Landesbank muss sich politische Instinktlosigkeit vorwerfen lassen. Weil er ahnen musste, dass das Steuersparmodell in die Öffentlichkeit durchdringen und auch Neidreflexe provozieren könnte. Politiker müssen halt bessere Menschen sein. So verlangt es die Bigotterie einer Gesellschaft, die die personelle Auszehrung der politischen Klasse beklagt und an deren Repräsentanten gnadenlos strenge moralische Maßstäbe legt.
Zeichen von Hysterie.
Mit der Schieflage von Wertungen kann Milbradt umgehen. Auch deswegen, weil er weiß, wie Kampagnen funktionieren und irgendwann ein Honigtöpfchen oder ein rechtlich sauberes Fondsgeschäft das Fass zum Überlaufen bringen können. In der CDU gärt es unverändert, und ebenso wie 2001 freuen sich Parteigenossen diebisch über jedes Echo, das der Waidmann Nolle mit seinen Schrotladungen auslöst. Doch die Munitionslieferanten bleiben geschützt in ihren Unterständen. Denn im Unterschied zu 2001 fehlt ihnen ein Anführer.
Damals war es Milbradt, der mit offenem Visier dem Sachsenkönig Biedenkopf den Kampf angesagt hatte. Komfortabler macht die fehlende Alternative die Lage für den Ministerpräsidenten nicht. Das Hochschaukeln vermeintlicher Skandale und unreflektierte Reaktionen der Opposition tragen schon Zeichen von Hysterie und Autoritätsverfall. Milbradt, der Frontmann der Revolte von 2001, kann diesen Prozess allein nicht stoppen. Wenn sich die Union nicht entschlossen hinter ihn scharrt, stellt sie selbst die Weichen für ihre Ablösung.