Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 14:15 Uhr, 11.04.2008

Monate des Misstrauens in Sachsen

Das Verhältnis zwischen CDU und SPD wird unter der jüngsten Koalitionskrise dauerhaft leiden
 
Dresden (ddp-lsc). Seit dreieinhalb Jahren bilden CDU und SPD in Sachsen eine gemeinsame Regierung. Doch so brüchig wie jetzt war das Bündnis noch nie. Zwar ist in der aktuellen Krise um den Umgang mit Privatgeschäften von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) inzwischen davon auszugehen, dass die Koalition 17 Monate vor der nächsten Landtagswahl nicht scheitert - wozu auch die komplizierten Mehrheitsverhältnisse im sächsischen Landtag beitragen. Dennoch gilt das Verhältnis zwischen den beiden Parteivorsitzenden, dem Regierungschef Georg Milbradt (CDU) und seinem Vize Thomas Jurk (SPD), als empfindlich gestört. Beide Lager werfen sich gegenseitig Indiskretion vor.

So stelle Jurk legale Kreditgeschäfte von Milbradt und seiner Ehefrau mit der Sachsen LB in Höhe von 172 000 Euro öffentlich als «Interessenkonflikt» dar, obwohl er es besser wissen müsste, heißt es von der einen Seite. Milbradt habe dagegen vertrauliche Details aus der jüngsten Kabinettssitzung nach außen tragen und dabei Jurk besonders blöd aussehen lassen, poltert die andere Seite. Und vergisst nicht hinzuzufügen, dass ihr Chef am Dienstag weder «hilflos gestammelt» habe noch von Milbradt mit dem Satz «Ich entlasse Sie in einen arbeitsreichen Tag» verabschiedet worden sei, wie kolportiert worden war. Jurk nannte den ganzen Vorgang eine «Ungeheuerlichkeit».

Bei allem Zwist: Eine wirkliche Alternative zum CDU/SPD-Bündnis ist nicht in Sicht, weshalb sich wohl Milbradt und Jurk trotz der persönlichen Vorbehalte zusammentun müssen. Außer den Sozialdemokraten steht der Union kein Koalitionspartner zur Verfügung, mit dem allein sie im Landtag über die notwendige Mehrheit verfügt - sieht man einmal von der Linksfraktion ab, die in Sachsen seit Jahren die Opposition anführt und damit den eigentlichem Gegenpol zu der bis Herbst 2004 allein regierenden CDU bildet. Zusammen mit der FDP fehlte der Union im Landtag eine Stimme - zumindest solange, bis der wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu neun Monaten Gefängnis verurteilte Rechtsextremist Klaus-Jürgen Menzel, früher NPD, seine derzeit noch nicht rechtskräftige Strafe antreten muss. Dies würde die Anzahl der Landtagsmandate um eines - das entscheidende - verringern. Bis es soweit ist, kann es allerdings noch Monate dauern.

Dass CDU-Fraktionschef Fritz Hähle im Wissen um diese schwierige Ausgangslage dennoch am Mittwoch der SPD ein Ultimatum stellte, sich bis kommenden Dienstag zu entscheiden, ob sie «weiter opponieren» oder mit der Union regieren wolle, lässt darauf schließen, dass er die Bedeutung seiner Fristsetzung unterschätzte. Dazu passt auch, dass Milbradt anderntags nichts von einem an die SPD gerichteten Ultimatum wissen wollte.

Die CDU dürfte auch wissen, dass die an die SPD gerichtete Forderung, ihren Landtagsabgeordneten Karl Nolle «einzufangen», kaum erfüllbar ist. Nolle hat Milbradt als Obmann im Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss nicht erst in der Zeugenvernehmung Anfang vergangener Woche scharf attackiert. Auf das Zusammenspiel mit den Medien versteht sich der 63-jährige Druckerei-Unternehmer so gut wie kaum ein anderer Abgeordneter.

An seiner Arbeitsweise werde er jedenfalls nichts ändern, erklärte Nolle am Freitag, nicht ohne auf die Unterstützung durch seine Partei zu verweisen. «Alles, was nicht öffentlich wird, findet nun mal nicht statt.» Die Aufgabe von Parlamentariern sei es, die Regierung zu kontrollieren. «Dies gilt auch für die Vertreter der Regierungsparteien.» Dabei halte er es mit Willy Brandt, der Demokratie als Kontrolle von Macht bezeichnet habe.

Vielleicht muss Milbradt über Nolle sogar froh sein. In der Auseinandersetzung mit der SPD scheint sich die CDU-Fraktion wieder um ihren Spitzenmann zu scharen - vorerst zumindest.

Von ddp-Korrespondent Tino Moritz
ddp/tmo/ple
111415 Apr 08