Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 10.05.2008
Diäten? Nein, danke - Warum die Erhöhung der Abgeordneten-Bezüge generell nicht schlecht, im konkreten Fall aber sehr schlecht ist.
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Der frühere Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel war ein großer Spötter vor dem Herrn. Über die Diäten, Zulagen, Nebentätigkeiten und Pensionen von Abgeordneten sagte er den schönen Satz: Ein Politiker, der seinen eigenen Nutzen nicht mehren kann, der sei auch nicht imstande, den der Allgemeinheit zu mehren... Kritiker des Diätenwesens halten das nicht für einen gehobenen Kalauer, sondern für die bittere Wahrheit, und sehen sich darin in der jüngsten, kräftigen Anhebung der Abgeordnetenbezüge bestätigt.
Die ist soeben im Bundestag beschlossen worden und entspricht der Gesetzeslage, weil sie sich an die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst anlehnt; sie ist aber trotzdem falsch. Die Anhebung kommt viel zu schnell nach der letzten, also zur Unzeit. Sie bestätigt alle einschlägigen Vorurteile. Wenn es um die eigenen Bezüge geht, sind die Abgeordneten so schnell, wie sonst nur beim Sparen bei den Anderen. Und dies Vorurteil ist ja auch gar nicht falsch: Die Grundsicherung nach Hartz IV für Langzeitarbeitslose basiert noch auf den Preisen von 1998. Eine Anpassung wäre hier viel dringlicher als die Anpassung der Diäten an die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst.
Ist das Populismus? Nein, das ist Kritik an fehlender Sensibilität. Sicherlich, das Wort "Diäten" funktioniert in der Öffentlichkeit oft ähnlich wie das Klingelzeichen beim Pawlowschen Experiment; es stellen sich bei bloßer Erwähnung Abscheu und Empörung ein.
Das ist ungerecht, weil Politik keine Veranstaltung ist, die dem franziskanischen Armutsideal zu folgen hat. Ein Volksvertreter soll nicht weniger verdienen als ein tüchtiger Versicherungsvertreter.
Aber die Politiker sind selbst mitschuld daran, dass die Kritik an den Diäten so maßlos ist - der Bundestag hält ein Diätensystem aufrecht, das hinten und vorne nicht stimmt. Das Problem ist nicht das eher niedrige Grundgehalt, das Problem sind die steuerfreien Pauschalen und die Altersversorgung, für die Abgeordnete keinen Cent in die Rentenkasse einbezahlen müssen. Das alles gehört abgeschafft, das alles muss ins Gehalt einbezogen werden, so wie das der Landtag in Nordrhein-Westfalen schon vorgemacht hat. Das ist schon tausendmal gefordert worden, man ist es fast leid. Und deswegen muss man kein übertriebenes Mitleid haben, wenn die aktuelle Diätenerhöhung gegeißelt wird, als handele es sich um eine Unterschlagung öffentlichen Eigentums.
Wer sich mit Politiker-Pensionen befasst, ist geneigt, in Rommelschen Sarkasmus zu verfallen. Also: Warum eigentlich steigt die Pension, je länger einer im Bundestag und je länger einer Minister ist? Er klammert sich dann doch nur an sein Mandat oder Amt, und die Pension wird eine Art Stilllegungsprämie. Um mehr Wechsel in der Politik zu erreichen, müsste man Pensionen eigentlich degressiv staffeln. Je länger einer im Amt ist, umso mehr sinkt die Pension. Ein unsinniger Vorschlag? Er ist sinnhafter, als das gesamte gegenwärtige Diätensystem.