Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 13.05.2008
Die Unesco ist wie ein Fisch
Ministerpräsident Georg Milbradt antwortet auf die Unesco im Streit um die Waldschlößchenbrücke.
Herr Ministerpräsident, Sie selbst haben einmal gesagt, der Welterbetitel sei verzichtbar. Stehen Sie zu dieser Aussage?
Ich würde es heute anders formulieren: Wenn es darum geht, sich einerseits zwischen einer demokratischen Entscheidung und dem Willen der Bürger einer Stadt und andererseits dem Weltkulturerbetitel zu entscheiden, dann werde ich immer auf der Seite des Bürgerwillens stehen. Natürlich wäre es für Dresden und Sachsen schön, den Welterbetitel zu erhalten. Dafür haben wir vor und hinter den Kulissen sehr viel gearbeitet.
Haben Sie persönlichen Kontakt mit der Unesco aufgenommen? Welchen Eindruck hatten Sie?
Mein Eindruck ist, die Auffassungen der Unesco sind wie ein Fisch, der einem ständig durch die Hände gleitet. Immer wenn es um die Suche nach Kompromissen ging, gab es keine verbindlichen Aussagen, was welterbeverträglich wäre oder nicht. Der Vorwurf, Dresden oder die Staatsregierung seien stur, ist absurd. Es ist schade und traurig, dass Herr Bandarin in seinem Interview so herablassend mit dem Dresdner Bürgerwillen umgeht und wie er den Eindruck erweckt, das Welterbekomitee brauche nicht mehr zu entscheiden, weil das Ergebnis eigentlich schon feststehe. Der Dresdner Delegation, die in Paris war, wurde mehr als deutlich gesagt, dass erst im Juli in Kanada entschieden werde. Jetzt sagt er uns wieder, eine Brücke sei an dieser Stelle prinzipiell nicht möglich.
Deutschland hat versäumt, die völkerrechtlichen Verpflichtungen mit der Unesco in Bundesrecht umzusetzen. Haben Sie es daher je als Ihre Aufgabe betrachtet, diplomatisches Knowhow des Bundes in Anspruch zu nehmen, um Schaden von Deutschland abzuwenden?
Die Bundesregierung hat die Weltkulturerbekonvention anerkannt. Es handelt sich dabei lediglich um eine Verpflichtung, sich um das Welterbe zu bemühen, die aber nicht innerstaatliches Recht bricht. Der Streit ist aber für das Dresdner Problem müßig, weil keine der beiden Ansichten es lösen würde. Die Länder lehnen mehrheitlich eine Umsetzung der Konvention mit Vorrang vor innerstaatlichem Recht ab. Auch ich bin dagegen, noch mehr Kompetenzen an Organisationen wie die Unesco abzugeben, weil es über deren Entscheidungswege keine Klarheit gibt und diese auch nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln, wie für einen demokratischen Staat selbstverständlich, überprüft werden können. Das diplomatische Know-how des Bundes haben wir zumindest teilweise in Anspruch nehmen können.
Haben Sie geglaubt, dass Ihr Alternativantrag eine Chance haben könnte, den Titel zu retten?
Selbstverständlich, weil wir mit dem neuen Entwurf im Rahmen von Recht und Gesetz an den äußersten Rand des Möglichen gegangen und der Unesco maximal entgegen gekommen sind.
Warum hat Sachsen der Unesco darüber hinaus nie andere Alternativen präsentiert?
Eine andere Alternative als die von Eberhard Burger miterarbeitete war im Rahmen der Planfeststellung und des Bürgerentscheides nicht möglich.
Braucht Dresden einen neuen Bürgerentscheid? Hat er aus Ihrer Sicht juristisch eine Chance?
Jedes rechtsstaatliche demokratische Mittel für die Erhebung der Bürgermeinung ist aus meiner Sicht legitim. Solche Entscheidungen sind bindend und umzusetzen. Das Bürgerbegehren für eine Tunnelplanung ist juristisch aber zu Recht im Streit. Wir müssen abwarten, was daraus wird. Ob ein anderer neuer Bürgerentscheid möglich oder gewollt ist, kann ich zurzeit nicht übersehen.
Können Sie nachvollziehen, dass aus Sicht der Unesco eine Brücke die Welterbe-Landschaft „irreparabel zerstört“?
Nein. Bei Licht betrachtet führt die Unesco nichts anderes als eine Geschmacksdebatte. Herr Bandarin findet, dass die Brücke besonders „dick und massiv ist“ und „glaubt“, der notwendigen Länge wegen an dieser Stelle an gar keine Brücke. Was wollen Sie denn dazu noch sagen? Aus meiner Sicht ist der aktuelle veränderte Entwurf ein guter Kompromis, und die Brücke hat eine filigrane Einzigartigkeit, die im Konzert mit den anderen Brücken sinnvoll ist. Sie folgt einer Philosophie, die sie mit den vorhandenen Dresdner Brücken verbindet.
Würden Sie aus heutiger Sicht etwas anders machen im Welterbestreit? Würden Sie den Titel noch einmal beantragen?
In einer Region, die sich in der Entwicklung befindet, die vorwärts will, ist es unmöglich, darauf zu bestehen, dass alles so bleibt, wie es ist. Eine Kulturlandschaft beinhaltet doch, dass die Natur durch den Menschen kultiviert wird, sonst wäre es eine Wildnis. Kurt Biedenkopf, Herbert Wagner und ich haben deshalb immer vor einer Beantragung des Titels gewarnt. Letztendlich erleben wir gerade den Versuch, die Dresdner Bürger zu entmündigen. Wir haben damals nachgegeben, den Antrag der Stadt weitergeleitet und ihre Brückenpläne der Unesco gegenüber offengelegt. Wir werden in unseren Befürchtungen leider bestätigt, da die Unesco die Brücke zunächst akzeptiert, ihre Meinung aber später geändert hat. Das eigentliche Dilemma besteht aber darin, dass um die Waldschlößchenbrücke eine Diskussion geführt wird, die die Dresdner teilweise nur noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen können.
Haben Sie das Regierungspräsidium in seinen Entscheidungen die Brücke betreffend beeinflusst?
Das Regierungspräsidium trifft seine Entscheidungen aus eigener Verantwortung nach geltendem Recht und Gesetz.
Die Fragen stellte Valeria Heintges.