Karl Nolle, MdL
Junge Welt, 28.05.2008
Abgang eines Aussitzers
Nach sechs Jahren ist die skandalgetrübte Regierungszeit des sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) zu Ende. Ein Nachruf von Markus Bernhardt
Das zweifelhafte politische Vermächtnis des nunmehr ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) ist lang. Am Dienstag trat der 63jährige wie angekündigt von seinem Posten zurück. Bei einem Abschiedsempfang, der am Abend in der Staatskanzlei stattfand, ließ er sich noch einmal gehörig von seinen politischen Weggefährten feiern. Daß es in den kommenden Monaten für Sachsens Bürger ebenso feucht-fröhlich zugehen wird, dürfte indes bezweifelt werden, sollten die ersten Bürgschaften fällig werden, die die Regierung Milbradt beim Verkauf der sächsischen Landesbank zugesagt hat.
Was von Milbradt darüber hinaus bleibt, ist eine Reihe von Skandalen, die der ehemalige Ministerpräsident nahezu mit Bravur ausgesessen hat. Zu nennen wären neben der Fastpleite der Sachsen-LB vor allem die Behinderung der Aufklärung des sogenannten Sachsen-Sumpfes, im Rahmen dessen Politiker, Justizbedienstete und Polizisten mit teils schwerwiegenden Vorwürfen belastet wurden. Anstatt die Machenschaften dieser kriminellen Netzwerke aufzuklären, denen der Besuch von minderjährigen Prostituierten, dubiose Immobiliengeschäfte und sogar gezielte Mordanschläge angelastet werden, saß die Regierung Milbradt die an einen schlechten Mafiafilm erinnernden Zustände nicht nur aus, sie blockiert gemeinsam mit ihren Helfeshelfern bis heute die Aufklärung.
Zu »würdigen« ist auch Milbradts Umgang mit rechten Gewalttätern. Nachdem im vergangenen Jahr eine Gruppe Inder durch das sächsische Mügeln getrieben worden war, was bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, kommentierte Milbradt, es habe »keine Hetzjagd in Mügeln, sondern eine Hetzjagd auf Mügeln und die Mügelner« gegeben.
Es ist nicht zu erwarten, daß sich unter Milbradts Nachfolger, dem 49jährigen Stanislaw Tillich, etwas an der Arroganz der sächsischen CDU ändern wird. Dafür verlief die vielfach als »ignorant« gegeißelte Politik der Konservativen im Gros zu erfolgreich. Und selbst die sächsischen Sozialdemokraten, Juniorpartner der CDU in der Landesregierung, äußerten bis auf den engagierten Aufklärer in Sachen mafiöse Netzwerke, den Landtagsabgeordneten Karl Nolle, meist nur hinter vorgehaltener Hand Kritik an den Allmachtsphantasien der Union.
So steht zu befürchten, daß die »schwarz-rote« Landesregierung ihren bisher eingeschlagenen politischen Weg, geschmückt mit kleineren Schönheitsreperaturen, fortsetzt. Erst kürzlich tönten die Großkoalitionäre, als Konsequenz aus den Aktivitäten der kriminellen Netzwerke, die Volker Bandmann, innenpolitischer Sprecher der CDU, einmal als »erfundene Skandalgeschichte« und »Märchen« bezeichnet hatte, den sächsischen Verfassungsschutz nun straffer kontrollieren zu wollen.
Erstaunlich nur, daß die politischen Entscheidungsträger bis heute nicht bereit zu sein scheinen, dem Untersuchungsausschuß, der Licht in die Machenschaften der im Freistaat offenbar aktiven mafiösen Strukturen bringen soll, die notwendigen Akten zur Verfügen zu stellen, obwohl die Dresdner Staatsanwaltschaft die Kernverfahren des »Sachsen-Sumpfes«, die sich gegen mehrere ranghohe Juristen richteten, eingestellt hat. Wo nichts ist, muß auch nichts verborgen werden, dürfte man eigentlich meinen.