Karl Nolle, MdL
Freie Presse - Zschopauer Zeitung, 29.05.2008
Verfahren gegen Oberbürgermeister nie abgeschlossen
75-Selten-Dossier wurde 2003 an die Staatsanwaltschaft übergeben – Momentan scheint niemand genau zu wissen, was daraus wurde.
Zschopau. Das Vorermittlungsverfahren des Landratsamtes Marienberg gegen Zschopaus Oberbürgermeister Klaus Baumann(CDU) ist offenbar nicht klammheimlich zu den Aktengelegt worden. Das jedenfalls geht aus der Antwort des Untersuchungsführers Klaus Teillering auf eine Kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle hervor, die der Freien Presse vorliegt. Demnach hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz Tellerings Bericht nebst weiterer Unterlagen im Sommer 2003 aus Marienberg abgefordert und seitdem die Sache in der Hand.
Bereits damals war die Staatsanwaltschaft durch Recherchen Nolles auf den OB aufmerksam geworden. Wegen des Vorrangs dieser Ermittlungen sei die Angelegenheit vom Landratsamt zunächst nicht weiter aktiv verfolgt worden, machte Tellering, der als Leiter des Rechts- und Kommunalamtes arbeitet, gestern deutlich. Denn die Staatsanwaltschaft habe weitreichendere Ermittlungsmöglichkeiten, zudem hätten die Ergebnisse der Justiz später auch von der Disziplinarbehörde verwertet werden können.
Allerdings weiß Tellering bis heute nicht, was aus seinem Bericht – inklusive Anlagen etwa 75 Seiten – geworden ist. Trotz Zusage sei von der Staatsanwaltschaft in all den Jahren keine Information darüber gekommen, in wieweit sich Verdachtsmomente erhärtet hätten. „Der zuständige Staatsanwalt wurde 2004 versetzt, kann sich Tellering erinnern. Und: „Unser eigenes Verfahren ist weiterhin offen."
Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft recherchiert nun erst einmal in ihren Akten nach den Vorgängen. Sprecher Christian Goltz machte gestern jedoch keine Hoffnung auf eine Antwort noch in dieser Woche. Derweil stützt das Regierungspräsidium Chemnitz (RP) die Angaben Tellerings. Bis mindestens 2007 liefen laut RP-Sprecher Olaf Weiß verschiedene staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Baumann. So lange die Unterlagen nicht wieder ans Landratsamt übergeben werden, seien der Kreisverwaltung die Hände gebunden. "Sie hat ganz einfach keine Möglichkeit, über disziplinarische Maßnahmen zu entscheiden."
Für unbegründet hält Weiß in diesem Zusammenhang den Vorwurf gegen Landrat Albrecht Kohlsdorf (CDU), den Baumann-Bericht im Keller "gebunkert zu haben."
Kohlsdorf war von Karl Nolle in der vergangenen Woche angezeigt worden. Darüber hinaus hatte der Landtagsabgeordnete beim Regierungspräsidenten Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Chef der Kreisverwaltung eingelegt.
Klaus Tellering förderte bei seinen Untersuchungen vor fünf Jahren durchaus Brisantes zutage. Er spricht von mehreren, zum Teil bereits ein Jahrzehnt zurückliegenden DienstpflichtverIetzungen Baumanns und meint damit unter anderem eigenmächtige Haushaltsüberschreitungen und eine ungenügende Information des Stadtrates. Zudem habe es Verdachtsmomente ergeben, dass sich der OB „beim Umgang mit Finanzmitteln der öffentlichen Hand und beim Erhalt von Geldmitteln von privaten Organisationen und auch Einzelpersonen möglicherweise strafbar gemacht haben könnte."
Der seit 1994 amtierende Zschopauer Oberbürgermeister, der sich am 8. Juni erneut der Wahl stellt, wies den Vorwurf der Bestechlichkeit vorige Woche allerdings erneut zurück: Die von Nolle gegen ihn ins Feld geführten 8.500 Mark, die er 2001 von einem ihm bekannten Firmenchef erhalten habe, seien für den Zschopauer FC bestimmt gewesen. Mit einem Kontoauszug von damals kann Baumann den raschen Eingang dieses Geldes beim Verein noch heute nachweisen. Nachdem auch er vergangenen Donnerstag von Nolle bei der Staatsanwaltschaft angezeigt worden war, stellte der Oberbürgermeister seinerseits Strafanzeige gegen den SPD-Politiker - unter anderem wegen Verleumdung.
von Sven Frommhold