Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 14.06.2008
Untreue-Verdacht: Nicolaus droht Aufhebung der Immunität
Ausschuss tagt bereits in zwei Wochen / Staatsanwaltschaft will Privat- und Büroräume der CDU-Abgeordneten durchsuchen
Dresden. Seit Monaten steht die CDU-Landtagsabgeordnete Kerstin Nicolaus unter Druck, jetzt droht ihr weiterer Ärger. War die 47-Jährige bereits im vergangenen Jahr wegen Fördermittelbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt worden, so soll in rund zwei Wochen ihre Abgeordneten-Immunität aufgehoben werden. Am 1. Juli tagt dazu der entsprechende Ausschuss des Landtags. Grund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Zwickau wegen dubioser Reise- und Telefonkostenabrechnungen, es geht um den Verdacht der Untreue in Hartmannsdorf (Zwickauer Land). Dort firmiert Nicolaus als ehrenamtliche Bürgermeisterin.
Die Schreiben der Staatsanwälte lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. „Die Beschuldigte Nicolaus“, teilen sie Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) bereits am 27. Februar mit, „ist verdächtig, sich wegen Untreue in 23 Fällen zu Lasten der Gemeinde Hartmannsdorf strafbar gemacht zu haben.“ Und am 17. April legen sie schriftlich nach: Im Rahmen der Ermittlungen sei eine doppelte Hausdurchsuchung bei Nicolaus „erforderlich“ – in der Wohnung sowie im Wahlkreisbüro in Hartmannsdorf.
Das ist kurios. Denn die Schreiben der Staatsanwaltschaft liegen mittlerweile dem Immunitätsausschuss vor, stellvertretendes Mitglied im Gremium aber ist Nicolaus selbst. Ausschuss-Vorsitzender ist der Abgeordnete Christian Steinbach jun. (CDU), der auch schon als eine Art Berater der 47-Jährigen aufgetreten ist.
Hier sehen die Justizbehörden durchaus ein Problem. Laut Schreiben des Justizministeriums vom 3. April sei von der „möglichen Gefährdung des Untersuchungszweckes durch die Kenntnis der Abgeordneten von der vorgesehenen Durchsuchung“ auszugehen. Dies sei aber „in Kauf zu nehmen“, weil zum Beispiel Medien bereits in der Sache berichtet hätten, so die Mitteilung vom 15. Mai.
Die gelernte Damenmaßschneiderin ist seit 1990 Bürgermeisterin von Hartmannsdorf. Das Zwickauer Amtsgericht hatte sie Mitte November 2007 zu einer Geldstrafe in Höhe von 3330 Euro verurteilt. Im Januar wurde sie suspendiert, Ende April legte sie ihr Amt nieder. Am vergangenen Sonntag wurde Nicolaus überraschend mit über 70 Prozent erneut zur Bürgermeisterin gewählt, obwohl sie überhaupt nicht auf dem Wahlzettel stand. Das Regierungspräsidium hat eine Prüfung des Falls angekündigt. Nicolaus steht CDU-intern massiv in der Kritik – unter anderem wegen ihrer kritischen Haltung gegenüber Ex-Regierungschef Georg Milbradt (CDU). Privat ist sie mit dem SPD-Abgeordneten Mario Pecher liiert.
Jürgen Kochinke