Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 11.06.2008

Rochus auf SPD soll Sachsens CDU einen

Nach einem Unions-Ultimatum hängt die Dresdner Koalition an einem seidenen Fädchen
 
Die Koalition in Sachsen steht auf der Kippe. Bis nächsten Dienstag soll die SPD der CDU erklären, ob sie regieren oder opponieren will. Die Kampfansage an den kleinen Partner lenkt die Union von eigenen Problemen ab.
Die Strategie ist nicht filigran, aber in Sachsens CDU äußerst beliebt: Wenn Rauch in der eigenen Hütte auf einen Schwelbrand hindeutet, wird am Nachbarhaus Feuer gelegt. Besonders gern wird auf die Vorgehensweise zurückgegriffen, wenn der Qualm im eigenen Haus aus dem Chefzimmer kommt.

So stellte am Mittwoch nach einer Sitzung der 55 CDU-Abgeordneten Fraktionschef Fritz Hähle ein Ultimatum – und zwar nicht etwa Ministerpräsident Georg Milbradt, der wegen des Debakels der Landesbank und eines anrüchigen Privatgeschäfts mit dieser auch in den eigenen Reihen mächtig unter Druck steht, sondern der SPD. Bis Dienstag soll der Regierungspartner »sein Verhältnis zur Koalition klären«, so Hähle: »Wir sind nicht mehr bereit, eine Doppelstrategie von Regieren und Opponieren hinzunehmen.«

Wieder einmal hängt die Koalition in Sachsen, die 2004 als Bündnis der Vernunft und nicht als Liebesheirat begann, an einem seidenen Faden – besser: einem Fädchen. Beobachtern fällt es zwar inzwischen schwer, die genaue Zahl angedrohter Trennungen noch zu beziffern. So bedrohlich wie diesmal aber wirkte die Lage selten.

Für Spannung sorgte zum einen die oft herablassende Haltung der Union, die partout beweisen will, dass sie auch in einer großen Koalition CDU-Politik betreiben kann. Daneben ist es das Agieren eines Abgeordneten, den die »Frankfurter Rundschau« jetzt als eine Art politische »Abrissbirne« bezeichnete: des SPD-Abgeordneten Karl Nolle, der partout nicht einsehen will, warum aus Gründen der Koalitionsräson Leichen im Keller der Landespolitik liegen bleiben sollen.

Vorige Woche hatte das »freie Radikal« der 13-köpfigen SPD-Minifraktion erneut für Zoff gesorgt: Nolle legte offen, dass Milbradt aus einem Privatgeschäft mit der Landesbank gute Gewinne erzielt. Die Bank selbst musste Ende 2007 in höchster Not verscherbelt werden, wofür das Land mit 2,75 Milliarden Euro bürgt. Milbradt, der lange Finanzminister war, lehnt es stur ab, die politische Verantwortung für die Pleite zu übernehmen.

Die ärgerlichen Schlagzeilen, die folgten, sorgen auch in der CDU für erhebliche Unruhe; man sei dabei, das politische Kapital aus 17 Jahren zu verspielen, stöhnt ein Abgeordneter. Andere denken an den April 2002, als Enthüllungen um Billigmieten und Ikea-Rabatte den Milbradt-Vorgänger, »König Kurt« Biedenkopf, zu Fall brachten.

In dieser brisanten Situation, in der auch seine für September vorgesehene Nominierung als Spitzenkandidat für die Wahl 2009 auf dem Spiel steht, schloss Milbradt die Reihen mit einem klassischen Entlastungsangriff: Er trachtet die SPD auf Hosentaschenformat zu stutzen, woran sich die CDU-Fraktionäre offenbar liebend gern beteiligen. Die SPD hatte eine persönliche Erklärung Milbradts verlangt und ihn auch früher schon gemahnt, über seine Verantwortung für die Bank zumindest nachzudenken. Die Koalition aber stellten SPD-Verantwortliche nie zur Disposition. Selbst Nolle wird mit dem Satz zitiert, er »liebe die Koalition«, nur den Regierungschef nicht.

Jetzt allerdings herrscht Frust in der SPD. Ultimaten seien »kein geeignetes Mittel der Zusammenarbeit«, grollt Thomas Jurk, Parteichef und Milbradt-Vize. Nach einer Krisenrunde gab es gestern nachmittag weitere Unmutsbekundungen, daneben allerdings auch ein klares Bekenntnis zur Koalition.

Ob das reicht, bleibt abzuwarten. Die LINKE, die für kommenden Donnerstag eine Landtagsdebatte zur Landesbank und Milbradts Geldanlagen beantragt hat, drängt die SPD, die »Chaos-Koalition« zu beenden. Passend dazu sieht eine aktuelle Umfrage eine Mehrheit für SPD, die von 9,8 auf 24 Prozent stiege, sowie LINKE (20) und Grüne (6). Die CDU käme mit Milbradt nur noch auf 36, die FDP auf 9 Prozent. 51 Prozent befürworten Milbradts Rücktritt.
Von Hendrik Lasch, Dresden