Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 24.06.2008
Allianzen und Abgrenzungsmanöver
Union bezieht Kraft aus Dresdner Wahlsieg und greift SPD an — Tillich watscht Hertwich ab — Offerten an Linke?
Dresden. Die Wahlen galten lediglich lokalen Parteigrößen. Doch deren Erfolg vereinnahmte Stanislaw Tillich gern für sich und seine Chefrollen in Union und Regierung. „Froh und dankbar" sei er für die Ergebnisse, die die Stellung der CDU nachhaltig unterstrichen haben. Als leuchtendes Beispiel dient Dresden und die Bestätigung von Helma Orosz mit 64 Prozent der Wählerstimmen als Oberbürgermeisterin. Dieses Ergebnis mit einer Zweidrittel-Mehrheit habe Strahlkraft, sagte Tillich. Dresden zähle nun neben Stuttgart, Düsseldorf und Wiesbaden zu den vier deutschen Landeshauptstädten, die von der CDU geführt werden.
Für Orosz und die Union endete am Sonntag ein Endspurt um das Comeback im Dresdner Rathaus. Vor sieben Jahren hatte Herbert Wagner sein Amt an Ingolf Roßberg verloren. Der FDP-Mann war Kompromiss-Kandidat einer Anti-Wagner-Front. Mit Roßbergs unrühmlichem Ende, einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott seines früheren Fluthilfe-Koordinator Rainer Sehm, begann ein Sondierungsprozess für die Nachfolge – mit dem Ergebnis der Kandidatur von Helma Orosz.
Gegen einen CDU-Sieg hatten sich einige SPD-Prominente wie die Landtagsabgeordneten Karl Nolle und Cornelius Weiss gestemmt und den linken Bewerber Klaus Sühl unterstützt. „Zur SPD sage ich nichts",sagte Tillich hierzu. Zuerst müsse die Partei ihr Verhältnis zu den Linken klären. Deutlicher wurde sein CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Die destruktive Strategie der SPD sei nicht aufgegangen. „Die Bürger haben sich für das personell beste Angebot entschieden", meinte er.
Linke Karriere-Chancen
Klaus Sühl, der Bewerber der Linkspartei, will nach seiner klaren Niederlage in Dresden bleiben. Insider rechnen damit, dass der Hamburger künftig als Geschäftsführer der Landtagsfraktion zum Zuge kommen wird. Das wäre eine Startposition, um im Oktober zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl aufzusteigen – vorbei am amtierenden Fraktionschef Andre Hahn. Sühl hatte sich im Dresdner Wahlkampf als eloquent und unideologisch präsentiert. Beides Eigenschaften, die im Fundi-Flügel der im Dresdner Stadtrat in zwei Fraktionen gespaltenen Linken fehlen.
Ihr Amt als Sozialministerin wird Orosz erst am r. August abtreten. Mindestens so lange hat auch Ministerpräsident Tillich Zeit, ihre Nachfolge zu bestimmen. Da mit Orosz die einzige CDU-Frau das Kabinett verlässt, ist davon auszugehen, dass Tillich eine weibliche Besetzung wählen wird. Als Rathaus-Chefin wird Orosz ein „neues Kapitel für Dresden" aufschlagen, wie es auf CDU-Wahlplakaten hieß. Dazu könnte die Beförderung von zwei Mitgliedern des pragmatischen Linkspartei/PDS-Flügels zählen: Der Anwalt Ralf Lunau ist als Kulturbürgermeister und der Verwaltungsfachwirt Martin Seidel als Sozialbürgermeister im Gespräch.
Mögliche Allianzen und interne Abgrenzungen kennzeichneten ebenfalls den Tag nach der Wahl. Gemeinsam mit den Orosz-Unterstützern von der FDP könnte es bei der Landtagswahl zur Mehrheit reichen. Aus dem gestärkten Selbstbewusstsein resultierte auch die Reaktion von Parteichef Tillich auf die Kandidatur des Stollberger Landrates Udo Hertwich gegen den von der Union nominierten Frank Vogel im Erzgebirgskreis. Hertwich müsse mit Konsequenzen rechnen, sagte Tillich und sprach von „parteischädigendem Verhalten". Er glaube nicht, dass es nur bei einem Gespräch bleiben würde. Hertwich erhielt nur 3,9 Prozent der Wählerstimmen.
Im Kabinett blieben die CDU-Minister gestern Nachmittag unter sich. Eine gemeinsam geplante Haushaltsklausur hatte die SPD mit Rücksicht auf Urlaubswünsche verschieben lassen. Auch der Alleingang der CDU hat Symbolcharakter.
VON HUBERT KEMPER