Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 25.06.2008
Sekte gegen Ideologen - Streit um die Zukunft der deutschen Atomenergie wird schärfer
Kommentar von Stephan Lorenz
Die Union hat endlich die Katze aus dem Sack gelassen. Sie will künftig verstärkt auf Kernenergie setzen und das zu einem Thema im Bundestagswahlkampf 2009 machen. SPD und Grüne jaulen laut auf und beschimpfen die Union als „Atomsekte". Unionspolitiker giften zurück: Die Kernenergie müsse endlich „entideologisiert" werden. Auf diesen Wahlkampf kann man sich freuen.
Die Atomlobby setzt bei der Frage der Verlängerung der AKW-Laufzeiten über das Jahr 2020 hinaus auf einen Regierungswechsel in Berlin. Dabei geht es nicht – wie oft behauptet – nur um die Umkehr des gesetzlich vereinbarten Atomausstiegs. Hessens Roland Koch, der Mann fürs Grobe be der Union, hat sich mehrfach für AKW-Neubauten ausgesprochen. Das hat nichts mit „Sektiererei" zu tun, sondern mit handfesten wirtschaftlichen Interessen.
Die Forderung der Union, mit dem Mehr an preiswertem Atomstrom sollen die Strompreise für die privaten Haushalte sinken, darf man getrost als Unsinn bezeichnen. Die aus der Laufzeit-Verlängerung resultierenden Gewinne steigern einzig und allein den Profit der Konzerne. Staatliche Vorgaben etwa für einen sozialen Stromtarif sind auf dem europaweit liberalisierten Energiemarkt eine Illusion.
Die Atomkritiker argumentieren eben nicht jenseits der Wahrheit, wie es Ideologen tun: Atomenergie schützt weder das Klima, noch könnten jemals ausreichend Kapazitäten auch nur für einen Bruchteil der benötigten globalen Energieproduktion geschaffen werden. Mit Atomenergie wird auf absehbare Zeit kein Haus geheizt werden und kein Auto in Bewegung gesetzt. Atomenergie ist auch nicht billig, würden wirklich alle Kosten von der Uran-Gewinnung bis zur Versicherung vor Unfällen aufgerechnet. Eine Laufzeit-Verlängerung würde dagegen die dringenden Investitionen in alternative Energien und Techniken auf entscheidende Jahre hinauszögern.
Die Gefahren der Kernkraft liegen klar auf der Hand. Bis heute gibt es auf der ganzen Welt kein sicheres Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Das Risiko eines Reaktorunglücks kann niemals zu hundert Prozent ausgeschlossen werden. Die Betreiber von Kernkraftwerken, haben in der Vergangenheit nichts dazu beigetragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit der Atomkraft zu erhöhen. Brunsbüttel und Krümmel sind noch in schlechter Erinnerung, die Schlamperei in Asse spricht ebenfalls für sich. Der aktuelle Streit mit dem Iran zeigt exemplarisch, wie schwierig es zudem ist, die zivil genutzte Kernenergie von der militärischen Option zu trennen. Kernenergie ist im Zeitalter der terroristischen Bedrohung auch aus sicherheitspolitischer Sicht ein Anachronismus.