Karl Nolle, MdL

DNN, 14.07.2008

Krumme Geschäfte in der „Kindervilla“

 
Berlin, Hamburg, Stuttgart, Dortmund, Köln, Leipzig: Das seien nur einige deutsche Städte, in denen private Kindergärten der Marken „Kindervilla“ und „Knirpsenparadies“ entstehen, verkündet die „Kindervilla Franchise GmbH“ in Dresden auf ihrem Internet-Portal. Sogar in Österreich stünden Kindervillen ante portas.

Zu einer Veranstaltung des Deutschen Jugendinstituts München im Juni wurde Kindervilla-Chefin Carina Michalke eingeladen, um ihr „Erfolgskonzept“ vorzustellen. Als sie ihre Computer-Präsentation nicht bedienen konnte und ihr ein Teilnehmer aus dem Publikum zu Hilfe eilte, hätte Misstrauen aufkommen müssen. Er heißt Stephan Michalke und gilt als schillernde Figur.

Ende 2000 hatte der Elektromonteur Michalke das Kolping-Bildungswerk Sachsen in die Insolvenz geführt. Die Gläubigerforderungen lagen bei 60 Millionen Euro. In einem der größten Wirtschaftsverfahren in Sachsen brauchte die Justiz fast sechs Jahre bis zur Urteilsverkündung. Die Richterin verhängte 2007 ein mildes Urteil gegen Michalke: wegen Untreue und Vorenthaltung von Arbeitsentgelt 15 Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe von 18 000 Euro. Michalke legte Revision ein.

2002 startete Michalke sein nächstes Geschäft: Kindervillen. Aus einem Vorzeigeobjekt „Kindervilla“ in Dresden, aufgebaut durch die Kindererzieherin Ines Eckert, wurde unter Michalke ein Franchise-System entwickelt. Gesellschafter der Kindervilla Franchise GmbH waren Michalke und Eckert. Franchise-Nehmer wurden Erzieher, die sich selbstständig machen wollten. Die Franchise-Zentrale vermittelte den Franchise-Nehmern die Finanzierung, die den Weg zum schlüsselfertigen Kindergarten ermöglichen sollte; diese erfolgte exklusiv über die Filiale der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) in Dresden.
Michalkes Franchise-Zentrale kassierte den größten Teil der Existenzgründerkredite. Doch die versprochenen Villen wurden nicht gebaut. Die Erzieher hatten sich hoch verschuldet, erhielten aber keine Gegenleistung. Ende März 2005 trafen sich die ersten Franchise-Nehmer heimlich mit Eckert, um ihr Misstrauen gegen Michalke zu bekunden.

Kurz danach, am 4. April 2005, starb Ines Eckert bei einem Unfall. Als kurz danach Eckerts Ehemann ebenfalls starb, fiel die Franchise-Zentrale gänzlich Michalke zu. Als die Staatsanwaltschaft Ende 2006 gegen Michalke Anklage wegen Untreue in Sachen Kolping-Bildungswerk erhob, zog er sich aus seinem Unternehmensimperium zurück. Seine spätere Ehefrau Carina ist seitdem Gesellschafterin und Berater.

Immer wieder vermochte es Michalke, die enttäuschten Franchise-Nehmer zu vertrösten. Doch Anfang 2007 reichten die ersten von ihnen Zivilklage ein. Sie befürchteten, dass bei der Kindervilla Franchise GmbH kein Geld mehr zu holen sei, und engagierten den Unternehmensberater Kurt Seitz. „Ich stellte fest, dass die Genehmigungen und Auszahlungen der Kredite ungewöhnlich abliefen, die Interessen der Franchise-Nehmer kaum geschützt wurden und das meiste Geld direkt an die Franchise-Zentrale floss“, erinnert sich Seitz.

Das Abkassieren der Existenzgründerkredite konnte die Kindervilla Franchise GmbH aber nicht allein bewerkstelligen. Dieser Verdacht des Beraters verstärkte sich, als bekannt wurde: Der für diese Kredite zuständige Mitarbeiter der BfS war vorzeitig in den Ruhestand gegangen, um als Vorstand von Carina Michalkes Ablony AG wieder aufzutauchen.

Die Kindervilla Franchise GmbH verliert einen Zivilprozess nach dem anderem gegen Franchise-Nehmer. Gegen die Eckert-Kindervilla in Dresden-Mitte läuft eine Räumungsklage. Ende 2007 wurde ein Antrag auf ein Insolvenzverfahren gegen die Kindervilla Franchise GmbH gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegenwärtig gegen Stephan und Carina Michalke wegen Insolvenzverschleppung. Mathew D. Rose, ddp