Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 10:49 Uhr, 02.08.2008
Den Widerspruch zwischen Wort und Tat beim Klimaschutz überwinden
Von Kurt Biedenkopf
Dresden (ddp-lsc). Alle sind unzufrieden mit dem hochkarätigen G8-Klimagipfel in Japan. Ein Gipfel der Hilflosigkeit sei es gewesen. Keine wesentlichen Fortschritte, Trippelschritte und vage Ziele - Klimaschutz im Kriechgang: So lauten die Kommentare. Rundum herrscht Enttäuschung. Ist die Kritik gerechtfertigt? Und wie kommen wir weiter? Einige Bemerkungen, zu dem dominierenden Weltthema des 21. Jahrhunderts - und darüber hinaus.
Die Erdoberfläche erwärmt sich und verändert unser Klima. Wasser, Nahrung und Energie werden knapp. Die wichtigste Ursache können wir nicht beeinflussen: das schnelle Wachstum der Weltbevölkerung. Wir müssen uns seinen Folgen anpassen.
Vor knapp hundert Jahren lebten weniger als zwei Milliarden Menschen auf der Erde. Heute sind es mehr als sechs Milliarden. In vierzig Jahren sollen es acht bis neun Milliarden werden. Diese Menschen brauchen Wasser, Nahrung und Energie. Die große Mehrheit will so leben wie wir. Wir haben kein Recht, es ihnen zu verweigern.
Aber unsere Art zu leben lässt sich nicht auf die ganze Menschheit übertragen. Sie ist nicht verallgemeinerungsfähig. Deshalb müssen wir sie verändern. Das geht nicht ohne Fantasie, Innovationen und eine hohe Leistungsbereitschaft, aber auch nicht ohne Beschränkung und Verzicht.
Was wir beeinflussen können, sind die CO2-Emissionen, die wesentlich zur Erwärmung der Erde beitragen. Alle sind sich einig, dass sie reduziert werden müssen. Das bedeutet Eingriffe in unsere derzeitige Lebensweise, die auf einem zu hohen Energieverbrauch beruht. Dieser hohe Energieverbrauch muss dauerhaft verringert werden.
Da es keine Weltregierung gibt, müssen die Eingriffe von den Regierungen der Einzelstaaten beschlossen werden. Sechzehn von ihnen, die G8-Staaten und acht weitere große Emittenten, die alle zusammen für rund 80 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, haben dies kürzlich in Japan versucht. China und Indien waren unter ihnen. Das Ergebnis ist dennoch mager. Es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass sich das ändert.
Gleichwohl ist die Kritik so nicht gerechtfertigt. Denn für das Ergebnis sind die Regierungen nicht allein verantwortlich. Tiefgreifende Veränderungen können sie in ihren Ländern nur mit der Unterstützung ihrer Bevölkerung durchsetzen. Die Deutschen messen dem Klimaschutz große Bedeutung bei. Sie sind überzeugt, dass Politik, Wirtschaft und die Bürger viel dazu beitragen können, den Klimaschutz voranzubringen. Das sind scheinbar gute Voraussetzungen für die Unterstützung der Politik bei ihrer schwierigen Aufgabe.
Die Wirklichkeit ist anders. Den Worten fehlen die Taten. Mit der Nachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung steigen die Preise für Öl und Gas. Das sollte uns veranlassen, unsere Nachfrage zu reduzieren. Aber die Bereitschaft ist gering. Wir erwarten Subventionen vom Staat und streiten um die Pendlerpauschale. Alle Versuche, die Geschwindigkeit auf den Autobahnen zu begrenzen, um Energie zu sparen, sind gescheitert. Für die Wärmedämmung unserer Häuser erwarten wir staatliche Förderung. Jede tatsächliche Einschränkung unserer Lebensgewohnheiten stößt auf Besitzstände, die Widerstand hervorrufen. Das ist in Deutschland nicht anders als in den anderen Ländern des Westens. Eine brauchbare Klima- und Energiepolitik kommt so nicht zustande.
Dieser Widerspruch von Wort und Tat muss überwunden werden. An ihm scheitert sonst jeder Versuch, die fortschreitende «Plünderung unseres Planeten« (Herbert Gruhl) politisch zu begrenzen. Die wirkliche Frage lautet: Sind wir bereit, die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen? Sie werden zwar anders, aber nicht geringer sein als jene, denen sich unsere Eltern und Großeltern gegenübersahen, als sie daran gingen, Europa nach seiner Zerstörung wieder aufzubauen. Sie haben sich beschränkt, jede Arbeit und Last auf sich genommen und Leistungen erbracht, die unter normalen Bedingungen weder gefordert werden können noch erbracht werden müssen.
Praktisch gesprochen: Sind wir bereit, mehr zu investieren als zu konsumieren? Werden wir unsere Lebensweise den neuen Notwendigkeiten anpassen, unsere Prioritäten neu definieren, weniger Energie verbrauchen, weniger CO2 produzieren, weniger Abfall erzeugen, den Verkehr von der Straße auf die Schiene legen, Staus durch intelligentere Organisation abbauen, umweltbewusster reisen und die Begrenzungen akzeptieren, die unsere heutige Lebensweise umweltverträglicher werden lassen.
Vor allem: Sind wir auch bereit, das Verhalten derer als unsolidarisch zu verurteilen, die sich den gemeinsamen Anstrengungen entziehen? Mit dem Schutz der Umwelt sichern wir unsere Zukunft. Die Natur hat in den Jahrmillionen ihrer Geschichte schon weit größere Krisen gemeistert. Sie kommt auch ohne uns zurecht. Aber wir nicht ohne sie.
(Der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf (78) war von 1990 bis 2002 sächsischer Ministerpräsident)
ddp
021049 Aug 08