Karl Nolle, MdL
Neues Deutschland (ND), 25.04.2001
Anzeigen gegen Biedenkopf?
Interview mit Karl Nolle SPD-MdL aus Sachsen - Rücktritt von Biko noch vor Herbst 2001?
DRESDEN . Wegen seiner drängenden Anfragen gilt der 56-jährige, schwergewichtige SPD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen in CDU-Kreisen als „Kampfwalze der Opposition".
Frage: Sie haben beim sächsischen Verfassungsgericht geklagt. Warum?
Nolle: Ich habe der sächsischen Staatsregierung Mitte Februar vier Anfragen, unter anderem zu Dienstvilla und Dienstwagen des Ministerpräsidenten, gestellt, die teils garnicht oder falsch beantwortet wurden. Das Fragerecht der Abgeordneten im sächsischen Landtag ist aber ein Verfassungsrecht. Die Regierung muss die Fragen gewissenhaft, wahrheitsgemäß und zeitnah beantworten.
Frage: Die private Nutzung von „Ressourcen" des Freistaats durch das Ehepaar Biedenkopf zieht weite Kreise. Sie erheben neue Vorwürfe. Welche?
Nolle: Es gibt ein ganzes Konglomerat von Dienstleistungen, die vom Ehepaar Biedenkopf in Anspruch genommen werden. Dazu zählen Putzfrau, Gärtner und ein Koch, der nach unseren Recherchen sogar im Ferienhaus am Chiemsee eingesetzt wurde, wofür nicht bezahlt wurde. Genutzt werden die Dienstleistungen auch von Kindern, Enkeln und anderen Verwandten der Biedenkopfs. Das Personal wird zusammen mit Wasser und Strom in einer Pauschale von ca. 500 Mark monatlich abgegolten Schon die liegende Miete, für das Haus in bester Lage, ist mit zwölf Mark/qm weit unter Marktwert.
Frage: Die Miete beschäftigt nach der Anzeige eines Dresdner Rechtsanwalts sogar den Staatsanwalt. Warum?
Nolle: Nach dem Einkommensteuergesetz muss jeder geldwerte Vorteil, den ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gewährt, nach Marktwert bewertet und versteuert werden, das gilt auch für den Freistaat und seinen Ministerpräsidenten, der ja ein Gehalt bezieht. Im Fall von Biedenkopf beläuft sich der bisherige Vorteil aus Sachwerten und Dienstleistungen, unser Recherche nach auf etwa 4000 Mark im Monat, die nicht versteuert wurden, was ja eine strafbewehrte Handlung ist.
Frage: Nun sagt die CDU: Das ist Kleinkrämerei angesichts der Tatsache, dass der Ministerpräsident sich für den Freistaat aufopfert.
Nolle: Man soll die Arbeit und das Engagement dieses Ministerpräsidenten nicht herabwürdigen, ganz im Gegenteil. Trotzdem muss er alle Leistungen, die er in Anspruch nimmt, nach Mark und Pfennig abrechnen. Für den Ministerpräsidenten kann keine andere Regelung gelten, als für jeden Dienstboten im Freistaat, der auch exakte Abrechnungen abliefern muss. Zudem geht es um die Inanspruchnahme von Leistungen durch die Familie. Es gibt keine andere Ministerpräsidentengattin in Deutschland, die eine eigene gepanzerte Dienst-Limousine privat nutzen und sich damit zum Einkaufen fahren darf. Wieso muss der Steuerzahler einen solchen Hofstaat mit solchen Marotten Anhang unterhalten?!
Frage: Kommende Woche legt die von der Regierung eingesetzte Kommission ihren Prüfbericht zu den Vorwürfen vor. Die PDS droht für den Fall mangelhafter Antworten bereits mit einem neuen Untersuchungsausschuss, zu Recht?
Nolle: Das wäre gut möglich, ich glaube aber nicht, dass der noch zusammentreten muss. Einem Rentner muss man das nicht mehr hinterhertragen.
Frage: Einem Rentner?
Nolle: Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, wovon ich nach den jetzt in Gang gekommenen Entwicklungen ausgehe, dann glaube nicht nur ich, dass der Ministerpräsident, noch vor dem Parteitag der Landes-CDU im Herbst diesen Jahres, zurücktreten wird.
(Fragen: Hendrik Lasch)