Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.08.2008

Razzia bei Ex-Vorständen der Landesbank

 
Fast auf den Tag genau ein Jahr nach Beginn der dramatischen Rettungsaktion für die frühere Landesbank Sachsen (SachsenLB) haben Justiz und Polizei gestern überraschend zum großen Schlag gegen die damals verantwortlichen Bank-Manager ausgeholt.

Zeitgleich um 10 Uhr morgens standen sie bei fünf ehemaligen Vorständen der SachsenLB vor der Tür. Nach SZ-Recherchen handelt es sich dabei um die Ex-Vorstände Herbert Süß, Ivette Bellavite-Hövermann, Stefan Leusder, Werner Eckert sowie Gerrit Raupach. Die Staatsanwaltschaft Leipzig wollte die Namen der Beschuldigten weder bestätigen noch dementieren.

Der Verdacht: Untreue und falsche Darstellungen in Jahresabschlüssen der einst landeseigenen Bank. Die Ex-Vorstände sollen durch die riskante Ausweitung des Kapitalmarktgeschäfts letztlich die Bank „aufs Spiel gesetzt“ haben, wirft die Staatsanwaltschaft Leipzig ihnen vor. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die zwei von Irland aus gesteuerten Zweckgesellschaften (Ormond und Georges Quay), die im Geschäftsjahr 2007 auf ein Volumen von 23 Milliarden Euro aufgebläht wurden und letztlich zur Fast-Pleite, dann zum Notverkauf der Bank geführt hatten. Zudem hätten die Banker die Risiken so gut in den Jahresabschlüssen versteckt, dass selbst der Verwaltungsrat diese nicht habe erkennen können.

Bereits im Herbst hatte die Staatsanwaltschaft Leipzig zum Landesbank-Desaster einen Prüfvorgang eingeleitet. Wie sie erst gestern bekannt machte, schaltete sie kurz darauf das Bundeskriminalamt in Wiesbaden ein – wegen des Umfangs der erforderlichen Ermittlungen, die bis nach Irland reichen.

Computer beschlagnahmt

Insgesamt 28 Wohnungen und Büros der einstigen Spitzenmanager in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrheinwestfalen, Berlin sowie bei der Bank-Tochter in Dublin wurden durchsucht. Zehn Staatsanwälte durchforsteten zudem die einstige Bank-Zentrale in Leipzig, die nach dem Verkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) unter dem Namen Sachsenbank firmiert. Elektronische Datenträger, Computer, Geschäftsunterlagen und Korrespondenzen nahmen die Fahnder zur Auswertung mit.

Für Beobachter erstaunlich: Die Ermittlungen konzentrieren sich derzeit offenbar auf die fünf Ex-Vorstände, die kurz vor dem Zusammenbruch der Bank die Geschäfte führten. Damit sind die Vorstände, die vor 2007 die entscheidenden Kapitalmarktgeschäfte eingefädelt hatten, außen vor – darunter auch Ex-Vorstandschef Michael Weiss, der heute auf Zypern lebt, oder auch die Verantwortlichen für das Dublin-Geschäft. Auch die einstigen Verwaltungsratsmitglieder oder Verantwortliche im Finanzministerium müssen nicht zittern: Weder wurde gestern bei einem der damaligen Mitentscheider durchsucht, noch wird überhaupt ermittelt. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage. Man werde nun „längere Zeit“ brauchen zur Auswertung des beschlagnahmten Materials, hieß es knapp.
Von Annette Binninger