Karl Nolle, MdL
Agenturen dpa, 16:46 Uhr, 29.08.2008
Freistaat Sachsen muss Unterlagen zur Aktenaffäre herausgeben
Leipzig/Dresden (dpa/sn) - Der Freistaat Sachsen muss in der Affäre um geheime Akten des Verfassungsschutzes Unterlagen an den Untersuchungsausschuss herausgeben. Sachsens Verfassungsgerichtshof in Leipzig urteilte am Freitag, dass die Regierung nicht grundsätzlich die Übergabe von Unterlagen an den Ausschuss verweigern und damit dessen Rechte verletzten darf.
«Die parlamentarische Untersuchung liegt im öffentlichen Interesse», sagte Gerichtspräsidentin Birgit Munz. Der Landtag müsse die Chance haben, Regierungshandeln zu kontrollieren, so Munz. Allerdings müssen sich die Untersuchungen laut Urteil auf abgeschlossene Vorgänge beschränken. Damit sei es durchaus möglich, dass im Einzelfall genau geprüft werden müsse, welches Material übergeben werden solle (Aktenzeichen: Vf. 154-I-07).
Im vergangenen Jahr hatten geheime Verfassungsschutzakten unter dem Stichwort «Sachsen-Sumpf» monatelang für Schlagzeilen und Spannungen auch innerhalb der CDU/SPD-Koalition gesorgt. Die Akten sollten angeblich Verbindungen von Politik, Justiz und Polizei zur Organisierten Kriminalität belegen. Die Vorwürfe bezogen sich auf Straftaten wie Korruption oder Amtsmissbrauch. Diese Vermutungen erwiesen sich als unhaltbar. Externe Prüfer kamen zu dem Schluss, dass die Akten im Verfassungsschutz bewusst aufgebauscht worden waren und machten auf Mängel in der Behörde aufmerksam.
Der auf Drängen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuss will unter anderem mögliche Verfehlungen in der Regierung bei der Kontrolle des Geheimdienstes durchleuchten. Nach dem Urteil des Gerichtes, der dem Ausschuss entgegen der Auffassung der Regierung Verfassungskonformität zusprach, ist nach Ansicht der Opposition nun der Weg für die Untersuchungen frei. Opposition wie auch Vertreter der Koalitionsfraktion sprachen sich dafür aus, die Arbeit auf die Vorgänge im Verfassungsschutz zu konzentrieren. Dafür ist nun noch ein Jahr Zeit, da der Ausschuss seine Tätigkeit bis zum Ende der Legislaturperiode abgeschlossen haben muss.
Ausschussvorsitzender Klaus Bartl (Linksfraktion) sprach nach der Urteilsverkündung von einem bitteren Beigeschmack: «Denn wir haben durch die Weigerung der Regierung ein Jahr Untersuchungszeit verloren.» Vorrangig sei seiner Auffassung nach jetzt aufzuklären, ob sich der Verfassungsschutz verselbstständigt und ob die Rechtsaufsicht durch das Innenministerium versagt habe. Es sei für die Linksfraktion unvorstellbar, dass der Ausschuss bei seinem bisherigen monatlichen Sitzungsrhythmus bleibe.
Justizminister Geert Mackenroth (CDU) kündigte in einer Mitteilung eine «vertiefte Prüfung» des Urteils an. Er wies den von der Opposition erhobenen Vorwurf einer «Hinhaltestrategie» zurück. Der Zeitverlust für die Arbeit des Ausschusses habe die Opposition selbst verschuldet - durch sorglose und überzogene Formulierung des Untersuchungsauftrages, der sich in Teilen als verfassungswidrig herausgestellt habe.
CDU-Ausschuss-Obmann Christian Piwarz plädierte dafür, angesichts der drängenden Zeit den Focus im Ausschuss auf die Arbeit im Landesamt für Verfassungsschutz zu richten. Der Turnus der Sitzungen und Zeugenvernehmungen müsse so abgestimmt werden, dass noch sinnvoll gearbeitet werden könne. Wöchentliche Tagungen seien «nahezu utopisch».
FDP und Grüne, aber auch der SPD-Ausschussobmann Karl Nolle begrüßten das Urteil des Gerichtes. Nolle sprach in einer Mitteilung von einer «schallenden Ohrfeige für alle vordemokratischen Versuche der CDU, Regierungshandeln parlamentarischer Kontrolle zu entziehen». Johannes Lichdi (Grüne) sagte: «Dem CDU-Staat sind Grenzen gesetzt worden.» Jürgen Martens (FDP) erklärte, das Gericht habe die Minderheitsrechte der Opposition eindrucksvoll bestätigt. Notfalls müsse die Aufklärung auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden. SPD-Landesvorsitzender Thomas Jurk verwies darauf, dass seine Partei schon vor einem Jahr die Einsetzung eines Ausschusses befürwortet habe - «gegen alle juristische Bedenken des Koalitionspartner».
dpa st yysn z2 gj
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