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spiegel-online, 29.10.2008

LEHMAN-PLEITE - Verbraucherzentrale will Citibank wegen Betrugsverdachts anzeigen

Das Kreditinstitut habe Anlegern bewusst die Risiken von Lehman-Zertifikaten verschwiegen.
 
Die nordrhein-westfälische Verbraucherzentrale will gegen die Citibank vorgehen. Der Vorwurf: Das Kreditinstitut habe Anlegern bewusst die Risiken von Lehman-Zertifikaten verschwiegen. Die Citibank sicherte die Prüfung der Beschwerden zu.

Düsseldorf - Im Namen von Lehman-Anlegern will die Verbraucherzentrale NRW die Citibank wegen Betrugverdachts anzeigen. Deren Mitarbeiter hätten die Zertifikate gezielt älteren, unerfahrenen Kunden angeboten, Risiken verschwiegen und Beratungsprotokolle manipuliert, sagte Verbraucherzentralen-Vorstand Klaus Müller am Mittwoch in Düsseldorf. Die US-Bank Lehman Brothers war im September im Zuge der Finanzkrise zusammengebrochen, die Zertifikate verloren ihren Wert.

Über ein Umfrage-Formular im Internet habe die Verbraucherzentrale in den vergangenen zehn Tagen Fälle von 300 Betroffenen mit insgesamt rund 5,5 Millionen Euro Verlust zusammengetragen. Gut jeder Dritte sei Kunde der Citibank. An zweiter Stelle folge die Dresdner Bank.

Die Citibank kündigte auf Nachfrage an, jede einzelne Kunden-Beschwerde darauf zu überprüfen, ob die Beratungsstandards eingehalten wurden. "Jeder Kunde erhält beim Kauf alle Informationen über die Chancen, die ein Papier bietet, aber ebenso ausführliche Hinweise auf die Risiken, die mit einem Investment verbunden sind", teilte ein Sprecher am Sitz in Düsseldorf mit. Die Lehman-Zertifikate seien für den Käufer als Fremd-Produkt erkennbar gewesen.

"Wir schauen hier derzeit in Abgründe", sagte dagegen der Finanzexperte der Verbraucherzentrale, Thomas Bieber. Um hohe Provisionen zu kassieren, hätten Citibank-Mitarbeiter zum Teil über 80-Jährige aus sicheren Anlagen in die Risiko-Zertifikate gelockt. "Man hat bewusst das langjährige Vertrauen der Kunden in diese Bank ausgenutzt", sagte Bieber.

Die Citibank erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE, es gebe bei der Beratung "sehr hohe Standards". Jede Beschwerde werde aber individuell überprüft. "Sollten in einzelnen Fällen diese Standards nicht eingehalten worden sein, werden wir entsprechend individuell reagieren."

Die Verbraucherzentrale kritisiert weiter, dass auch die Beratungspraxis mancher Sparkassen sich nicht von der der Privatbanken unterscheide. Auch bei der Hamburger und der Frankfurter Sparkasse seien Lehman-Papiere mit fragwürdigen Methoden an den Mann gebracht worden. Um kurzfristige Gewinne zu erzielen oder Provisionen einzustreichen, drängten Banken ihre Kunden immer häufiger in intransparente und riskante Anlageformen, sagte Müller. Die Verbraucherzentrale fordert deshalb unter anderem eine Ampel-Kennzeichnung für Finanzdienstleistungen.

Auch Sprecher der Sparkassen betonten gegenüber SPIEGEL ONLINE, die Kunden seien über die Risiken aufgeklärt worden.

Die am Dienstag angekündigte Entschädigung von Kunden der deutschen Lehman-Tochter hat nach Einschätzung von Anwälten unterdessen bei Privatanlegern für Verwirrung gesorgt. Für Tausende von Inhabern von Lehman-Zertifikaten bedeute die Ankündigung der Finanzaufsichtsbehörde BaFin rein gar nichts, erklärte der Frankfurter Anlegeranwalt Klaus Nieding am Mittwoch. Zu den wenigen Kunden der in Frankfurt sitzenden Lehman Brothers Bankhaus AG gehören vor allem große institutionelle Kunden wie zum Beispiel die Deutsche Rentenversicherung oder die Barmer Ersatzkasse, deren Einlagen nunmehr über den Einlagensicherungsfonds geschützt sind.

Nieding sprach sich dafür aus, aus moralischen Gründen auch den privaten Zertifikate-Inhabern zu helfen. So sollten sich Banken zu einer Entschädigung dieser Leute verpflichten müssen, falls sie Mittel aus dem staatlichen Bankenrettungspaket in Anspruch nehmen wollten. Bei den bundesweit bis zu 50.000 Geschädigten handele es sich überwiegend um Rentner, denen die Zertifikate als sichere Geldanlage verkauft worden seien.
kaz/dpa-AFX/dpa