Karl Nolle, MdL
DNN Dresdner Neuste Nachrichten, 08.11.2008
Wenn das Telefon zweimal klingelt
Justizstaatssekretärin Hauser steht unter Beschuss, weil sie sich in Ermittlungen eingeschaltet haben soll
Dresden (DNN). Zwei Mal hat Gabriele Hauser Anfang 2005 zum Telefonhörer gegriffen und steht nun im politischen Sperrfeuer. Die Geschichte könnte sich ein schlechter Romanautor nicht besser ausgedacht haben: Am 9. November 2004 erwischen Radeberger Polizisten einen Autofahrer mit 1,12 Promille Alkohol in der Atemluft. Sie nehmen ihn für die notwendige, genau messende Blutprobe mit aufs Revier. Der Mann will sich kein Blut abnehmen lassen und verlangt einen Anwalt. Er darf telefonieren, natürlich. Tatsächlich taucht ein zweiter Mann im Revier auf und tritt wie ein Anwalt auf. Es kommt zu Tumulten, der Autofahrer behauptet, er habe eine Spritzenphobie. Der vermeintliche Anwalt erklärt gar, eine Blutprobe sei rechtswidrig. Erst nach einiger Verzögerung kann der Arzt Blut abnehmen. Das Messergebnis der Blutprobe liegt unter 1,1 Promille: Bei einem Wert über 1,1 Promille Alkohol im Blut – absolute Fahruntüchtigkeit – wird ein Strafverfahren eingeleitet.
Wegen des Hin und Her ist viel Zeit vergangen, der Wert kann nicht mehr exakt bestimmt werden, der Autofahrer kommt später mit einem Bußgeldverfahren davon. Die Polizisten sind sauer auf den Mann, der da für die Verzögerungen sorgte. Das aber ist kein Rechtsanwalt, sondern ein Mitarbeiter im Sächsischen Innenministerium.
Die Polizisten melden den Vorfall der Staatsanwaltschaft Bautzen. Die leitet ein Strafverfahren wegen versuchter Strafvereitelung ein. Bei einer Anhörung soll es zum Eklat gekommen sein: Der Beamte aus dem Innenministerium, nun von einem wirklichen Rechtsanwalt begleitet, und der ermittelnde Staatsanwalt sollen sich angebrüllt haben, Sachlichkeit – Fehlanzeige. Der Beamte klagt sein Leid Innenstaatssekretär Jürgen Staupe. Der wendet sich an seine Kollegin Hauser. Um konkrete Vorwürfe gegen den Mitarbeiter ging es dabei nicht, sagt die Justizstaatssekretärin. „Er schilderte mir den Verlauf der persönlichen Anhörung und den Namen des Staatsanwaltes, da klingelte es bei mir.“ Der ermittelnde Jurist sei ihr bekannt gewesen, sagt Hauser. „Da soll es also eine Vernehmung in einer Art und Weise gegeben haben, die kein Staatsanwalt so machen würde. Das mag stimmen oder nicht, so einem Vorwurf muss man nachgehen, im Interesse des Staatsanwaltes und der Sache. Ich habe das als Anlass gesehen, den Dienstvorgesetzten zu informieren.“ Hauser ruft den damaligen Leitenden Oberstaatsanwalt Hartmut Schindler an. „Passen Sie bitte auf, dass da nichts schiefläuft“, will sie dem Vorgesetzten des Staatsanwalts gesagt haben. Und sich wenig später noch einmal in einem zweiten Telefonat nach dem Gang des Verfahrens erkundigt haben. Es sei ihr um Deeskalation gegangen und um einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens, erklärt Hauser, nicht um dessen Ausgang. „Es wäre mir wesensfremd, jemandem vorzuschreiben, mit welchem Ergebnis er ein Verfahren zu bearbeiten hat. Dafür war ich selbst lange genug Richterin und Staatsanwältin“, erklärt sie.
Das lässt sich für Außenstehende anders sehen. Das Verfahren gegen den Referatsleiter wird Monate später mit Zustimmung des Amtsgerichts Bautzen eingestellt. „Zustimmung wird angesichts der Sachlage nur mit äußersten Bedenken erteilt“, formulierte der Richter seine Schmerzen mit dem straffreien Ausgang des Verfahrens. Damit habe sie längst nichts mehr zu tun gehabt, beteuert Hauser. „Das macht mich betroffen, wenn mir so etwas vorgeworfen wird“, sagt sie, „ich habe mich jeder Einflussnahme auf dieses Ergebnis enthalten.“
Hauser steht ob des Vorgangs in der Kritik. Die Neue Richtervereinigung findet das Geschehene verwunderlich, die Grünen im sächsischen Landtag vermuten, dass das Justizministerium seinen Willen gegenüber der Staatsanwaltschaft durchgesetzt hat. Karl Nolle von der SPD hat eine Kleine Anfrage zu dem Vorfall gestellt, Klaus Bartl (Linke) auch. „Man kann offenbar böse reinfallen, wenn man etwas auf dem schnellen Weg klären möchte“, sagt die Staatssekretärin. „Da bin ich eines Besseren belehrt worden.“ Sie, die sie im ständigen Kontakt mit allen Behördenleitern der sächsischen Justiz stünde, habe damals einfach nur gedacht: „Wenn es zwischen den Beteiligten in einem Ermittlungsverfahren so knallt, ist Eile geboten, das kann sich aufschaukeln.“
Nein, sagt Gabriele Hauser. Heute würde sie nicht mehr zum Telefonhörer greifen, sondern die vielen Anfragen, Eingaben und Beschwerden von Betroffenen anders behandeln. „Das war vielleicht ein bisschen blauäugig“, gibt die resolute Juristin zu, „aber ich bin ein zupackender Mensch. Das ist auch meine Arbeitsweise.“ Damals sei sie noch nicht einmal 100 Tage im Amt gewesen, sagt sie heute fast entschuldigend. Um sogleich wieder energisch zu betonen: „Einen Fehler sehe ich nicht, ich habe keinen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens genommen.“
Von THOMAS HARTWIG