Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 25.11.2008

Sachsens CDU steckt in Blockflöten-Debatte

 
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), wegen seiner Vorwende-Karriere als DDR-Reservekader beim Rat des Kreises Kamenz in der Kritik, bleibt dabei: Er habe nichts vertuscht. „Meine Biografie war und ist bekannt und allen zugänglich.“ Gleichzeitig räumte er gestern aber erstmals ein, dass die frühere ostdeutsche Blockpartei CDU, der er seit März 1987 angehörte, Teil des DDR-Systems gewesen sei und damit „letztendlich den Machtapparat der SED unterstützt“ habe (siehe auch Seite 5).

Mit dieser ungewohnt offenen Einsicht rücken jetzt aber auch die Biografien anderer CDU-Spitzenpolitiker in den Vordergrund. So sitzen mit Tillich immerhin noch drei Minister am Dresdner Kabinettstisch, die mit ihm viele Jahre der Vorwende-CDU angehört haben. Allen voran Innenminister Albrecht Buttolo, der 1979 in die Partei eintrat. Dazu kommen Sozialministerin Christine Clauß und Umweltminister Frank Kupfer, die seit 1984 beziehungsweise 1982 CDU-Mitglieder sind.

Angesichts der nun ausgebrochenen Blockflöten-Debatte gibt es plötzlich auch hier Nachfragen. Buttolo erklärte gestern, nie verborgen zu haben, dass er von 1973 bis 1978 einfaches Mitglied der DDR-Kampftruppen war. In die CDU sei er eingetreten, um die eigenen Kinder katholisch erziehen lassen zu können. „Ich stehe zu meiner Biografie“, sagte er. Clauß wird nun mit dem Umstand konfrontiert, dass sie von 1976 bis 1983 einen Ausreiseantrag gestellt hatte, dann aber Lehrbeauftragte der Städtischen Frauenklinik Leipzig sowie CDU-Mitglied wurde. „Es war eine schlimme Zeit der Repressalien für mich und meine Familie. Nicht beruflich, aber persönlich. Ich wollte wieder am sozialen Leben teilhaben. Und bin daher in die CDU eingetreten“, sagte sie der SZ.

Frank Kupfer, der von 1986 bis 1994 hauptamtlich für die CDU im Kreis Oschatz arbeitete, sagt, er habe mit seinem Parteieintritt in der DDR „zunächst etwas verändern“ wollen. Umso schmerzlicher sei es gewesen, als er später bemerkt habe, dass dies so nicht funktionierte. Im Wendejahr 1989 habe man allerdings für eine Gegenstimme bei der DDR-Kommunalwahl und schließlich einen Aufruf für mehr Demokratie im Land gesorgt.

Der sächsische CDU-Fraktionschef Steffen Flath, seit 1983 Parteimitglied, räumte gestern ein, dass die Ost-CDU durchaus „ein Feigenblatt für das angeblich demokratische Staatswesen der DDR“ war. Flath sieht dabei vor allem Leute wie den ehemaligen Parteichef Gerald Götting in der Verantwortung. Bei dem habe man keinen Unterschied mehr zwischen CDU und SED gespürt. Anders sei das bei den vielen einfachen CDU-Mitgliedern gewesen. „Hier müssen wir aufpassen, ihnen nicht Unrecht anzutun.“

Auch im Fall von Stanislaw Tillich, so Flath, wäre es besser gewesen, mit den Fakten „offensiver umzugehen“. Umso mehr begrüße er, dass diese Diskussion jetzt geführt wird. Einen Kurswechsel gegenüber der Linkspartei, die Flath größtenteils auf eine Stufe mit der NPD stellt, hält er aber für unnötig. Im Gegenteil, man müsse verhindern, dass sich die Linke Schritt für Schritt aus der DDR-Vergangenheit herausmogele und die Schuld allein den Blockparteien zuschiebe.
Von Gunnar Saft