Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 18:39 Uhr, 17.12.2008
Kriminalhauptkommisar als Zeuge im «Sachsen-Sumpf»-Ausschuss
Verfassungsschutz soll mehrere Quellen für Dossier gehabt haben
Dresden (ddp-lsc). Der als Schlüsselfigur in der sogenannten Sachsen-Sumpf-Affäre geltende Leipziger Polizist bestreitet, die Hauptquelle des Verfassungsschutzes in dessen umstrittenem Dossier zu vermeintlichen kriminellen Netzwerken gewesen zu sein. «Ich hatte 2005 keinen Kontakt zum Verfassungsschutz», sagte der 52 Jahre alte Kriminalhauptkommissar am Mittwoch vor dem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags. Ein entsprechender Vorwurf, der als einer der Gründe für seine Entbindung von Dienst vor einem Jahr angegeben worden sei, sei nicht zutreffend.
Mit Vertretern des Landesamtes habe er sich erstmals und lediglich zweimal im Mai 2006 getroffen, sagte er im Zeugenstand. Kurz darauf hatte der Nachrichtendienst die Beobachtung organisierter Kriminalität von Rechts wegen einstellen müssen.
Der Polizist äußerte Zweifel daran, dass er selbst mit der offenbar im Verfassungsschutzdossier genannten Quelle «Gemag» gemeint sein könnte. Dieser würden gute Kontakte in Wirtschaft und Politik sowie zu einem Staatsanwalt nachgesagt, was bei ihm alles nicht zutreffe.
Die Initiative zu seinen beiden Treffen im Mai 2006 sei vom Nachrichtendienst ausgegangen. «Der Verfassungsschutz ist zu mir gekommen», sagte der Polizist. Er erinnerte sich daran, dass ihm beim zweiten - fünfstündigen - Treffen ein Fragenkatalog vorgelegt worden sei. Dabei habe man ihm zu verstehen gegeben, dass es vor ihm weitere Hinweisgeber gegeben habe. «Es gibt definitiv noch andere», sagte der Zeuge bestimmt. Nach seiner «Hochrechnung» müsse es etwa 40 Gespräche gegeben haben. Dies gehe auch aus den nach seiner Schätzung rund 10 000 Aktenseiten hervor, die ihm als Beschuldigter eines von der Staatsanwaltschaft Dresden eingeleiteten Verfahrens wegen «Verfolgung Unschuldiger» zur Verfügung gestellt worden seien.
In seinem Gespräch mit den Verfassungsschützern seien ihm Erkenntnisse «aus dem Nahbereich» der organisierten Kriminalität «rübergebracht» worden, die ihm selbst nur bis 2002 bekannt gewesen sein könnten, fügte der Zeuge hinzu. Bis dahin war er mit organisierter Kriminalität befasst, insgesamt zwölf Jahre lang, er wisse also, wovon er spreche - so hatte der Polizist seinen Vortrag eingeleitet.
Seine Aussagen wurden von den Obleuten des Ausschusses unterschiedlich interpretiert. Christian Piwarz (CDU) sah durch den Zeugen die Legende vom «Sachsen-Sumpf» zerstört - Caren Lay (Linke) dagegen jene der Staatsregierung, dass der «Sachsen-Sumpf» die Erfindung eines «verschwörungstheoriehörigen Polizisten» sei. Auch Johannes Lichdi (Grüne) nannte es nachvollziehbar, dass der Zeuge nicht die Hauptquelle der Vorwürfe sei.
Das Bekanntwerden der Datensammlung des Verfassungsschutzes hatte im Mai 2007 die Affäre ausgelöst. Die im Dossier aufgelisteten Vorwürfe reichten angeblich von Amtsmissbrauch bis Kinderprostitution und Bandenkriminalität. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat inzwischen sämtliche Ermittlungen gegen beschuldigte Juristen eingestellt.
Von ddp-Korrespondent Tino Moritz
(Weitere Quellen: Obleute in Mitteilungen)
ddp/tmo/fgr
171839 Dez 08