Karl Nolle, MdL
Agenturen dpa, 16:20 Uhr, 17.12.2008
Zeuge: Insolvenzverschleppung bei Sachsenring maximal eine Woche
Aus Sicht des ehemaligen Finanzvorstandes der Sachsenring Automobiltechnik AG, Konrad Laurer, hat es bei dem Unternehmen 2002 eine Insolvenzverschleppung von maximal einer Woche gegeben. Die Firma sei erst insolvent gewesen, als seinerzeit der Verkauf von Beteiligungen an einer Mikroelektronikfirma scheiterte, sagte er am Mittwoch als Zeuge im Prozess gegen die Ex-Sachsenring- Vorstände Ulf und Ernst Wilhelm Rittinghaus vor dem Landgericht Chemnitz. Das Unternehmen habe zwar starke Liquiditätsprobleme gehabt, es hätte sich aber aus eigener Kraft tragen können, wenn der Verkauf gelungen wäre.
Die Anklage wirft den Brüdern Rittinghaus vorsätzliche Insolvenzverschleppung sowie Untreue in 86 Fällen vor. Sie sollen gewusst haben, dass Sachsenring schon seit dem 10. März 2000 seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen konnte. Sie seien aber erst im Mai 2002 zum Insolvenzrichter gegangen. Die Untreue-Vorwürfe beziehen sich zumeist auf ein Darlehen von rund 7,5 Millionen Euro, das die beiden Manager dem angeschlagenen Unternehmen im Dezember 1999 gewährt hatten. Später hätten sie in 84 Schritten 6,1 Millionen Euro wieder eingetrieben, obwohl Sachsenring eigentlich schon zahlungsunfähig war. In zwei weiteren Untreue-Fällen sollen sie die Jahresabschlüsse für 1998 und 1999 mit Scheinrechnungen gefälscht haben.
Als er bei Sachsenring im November 2000 begann, hätten ihn die Liquiditätsprobleme des Unternehmens überrascht, sagte Laurer vor Gericht. Die Finanzlücke habe monatlich meist etwa zwischen 15 und 20 Millionen Euro gelegen. Ihm sei klar geworden, dass sich Sachsenring in einer dramatischen Schieflage befand. «Die Frage war: Gelingt der Verkauf der Anteile des Mikroelektronik-Unternehmens?» Wegen der drohenden Insolvenz habe er sich sein Gehalt absichern lassen, sagte Laurer.
Liquiditätsengpässe habe es schon im ersten Geschäftsjahr 1994 gegeben, nachdem die Brüder Rittinghaus Sachsenring übernommen hatten, sagte der Buchhalter des Unternehmens, Friedhelm Huster. Später seien diese Engpässe immer größer geworden. Der Börsengang 1997 hätte deshalb unbedingt gelingen müssen. Später habe er dem Vorstand immer wieder zur Liquiditätssituation berichtet und sei deswegen als Panikmacher abgestempelt worden. Es habe nach zum Teil heftigen Auseinandersetzungen schließlich meist den Hinweis auf zu erwartende Eingänge gegeben.
Oft habe er nicht gewusst, wie er die Lieferanten bezahlen solle, sagte Huster. In Krisensitzungen sei festgelegt worden, welche Rechnungen als nächstes beglichen werden. So sei versucht worden, «die Liquidität zu steuern». Er sei der Meinung, sagte Huster, Sachsenring habe «nie eine schwarze Null geschrieben.»
Der Prozess wird am 7. Januar fortgesetzt.
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