Karl Nolle, MdL
Mitteldeutsche Zeitung, 03.12.2008
CDU PARTEITAG: Die Debatte fällt aus
Die CDU-Delegierten in Stuttgart winken den Antrag des Bundesvorstandes durch. Scharfe Worte gibt es nur zu der Kritik an Tillich.
STUTTGART /MZ - Thomas Webel lässt an seinem Missmut keinen Zweifel. Auf die Frage, was er sich von der Debatte über die Vergangenheit der Ost-CDU verspreche, sagt Sachsen-Anhalts Landeschef in Stuttgart: "Nichts." Die SED habe die Macht in Händen gehalten, nicht die CDU. "Wir haben uns für nichts zu entschuldigen", findet Webel. So wie er denkt die große Mehrheit beim CDU-Bundesparteitag. Die Debatte fällt ins Wasser.
Film zum Antrag
Vor der Beratung über den Antrag des Bundesvorstandes unter dem Titel "Geteilt. Vereint. Gemeinsam. Perspektiven für den Osten Deutschlands." wird zunächst ein Film eingespielt. Darin werden die CDU-Kanzler gewürdigt: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Helmut Kohl und Angela Merkel. Auch der Bau der Mauer kommt vor, nicht jedoch die DDR-CDU mit ihrem willfährigen Vorsitzenden Gerald Götting. Zum Aufbau Ost heißt es, er sei "schwierig, manchmal schmerzhaft, aber immer lohnend" gewesen.
Dann tritt Thüringens Landtagspräsidentin Dagmar Schispanski ans Pult - eingeführt vom sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, der die Sitzung moderiert und zuletzt wegen seiner Ost-Vergangenheit heftig ins Gerede gekommen war. Schipanski hatte die Ost-Kommission geleitet und schreckt vor Pathos nicht zurück: "Für mich ist der 9. November das Wunder meines Lebens." Ein Volk habe seine "Angst abgelegt", erklärt sie und fährt fort: "Wir haben wirklich blühende Landschaften errichtet." Später warnt Schipanski vor Geschichtsvergessenheit, will dies nur auf ihre eigene Partei nicht angewendet wissen. Denn "gleich geschaltete Parteien" hätten in der DDR nun mal "keine Oppositionsparteien" sein können. Wer dies wie die Linkspartei anders darstelle, der beschönige seine eigene Rolle.
Auf Schipanski folgt Fritz Niedergesäß, Vorsitzender des Berliner CDU-Kreisverbandes Treptow-Köpenick - und durch und durch eine Berliner Schnauze. Niedergesäß, 1983 in die Ost-CDU eingetreten, sieht die Dinge ähnlich wie seine Vorrednerin, befleißigt sich allerdings einer anderen Sprache. Man dürfe sich von der politischen Konkurrenz "nicht beschmuddeln lassen", mahnt er. Und: "Wir dürfen uns von diesen Halunken nicht vorführen lassen." Der sächsische SPD-Politiker Karl Nolle, der Tillichs Erinnerungslücken aufgedeckt hatte, sei "einer der übelsten Schmierfinken, die aus dem Westen hier rübergekommen sind".
Wer nun weitere Wortbeiträge erwartet hatte, sieht sich getäuscht. Es gibt zwar noch einen Änderungsantrag. Die CDU-Mittelrhein will Einheitsdenkmäler nicht bloß in Berlin und Leipzig, sondern auch eines in Bonn - und holt sich eine Abfuhr der Delegierten. Zum Thema Ost-CDU fällt kein Wort mehr. Auch die CDU Halle schweigt. In der vorigen Woche hatte sie einen Antrag öffentlich gemacht, der sich kritischer mit der Ost-CDU auseinandersetzt als der Antrag der Parteiführung, in dem die Vokabel Ost-CDU ursprünglich gar nicht vorkam.
Bergner war schon abgereist
Noch gestern Vormittag hieß es, der hallesche Bundestagsabgeordnete Christoph Bergner werde dazu reden. Als die Debatte beginnt, ist er längst auf dem Weg nach Berlin. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff sagt, die Ost-Kommission des CDU-Vorstandes arbeite ja weiter und werde das Votum aus Halle irgendwie berücksichtigen. Vor dem Parteitag hatte Haseloff den Hallensern empfohlen, sich zu Wort zu melden. Das scheint ihm jetzt nicht mehr nötig.
Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hielt das ganze Hin und Her von Anfang für überflüssig. Tillich werde aus der Auseinandersetzung "gestärkt hervorgehen", glaubt er. "Die Leute erkennen sich in ihm wieder."
VON MARKUS DECKER