Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 14.01.2009

Forschungszentrum für neuartige Chips

Sachsens Regierung stellt die Weichen für eine weitere Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft am Standort Dresden.
 
Die Erwartungen an die kleinen Siliziumbausteine, die heutzutage in nahezu allen Lebensbereichen mitspielen, werden immer höher: Mehr und mehr Funktionen sollen sie beherrschen, sei es im Auto, in der Kamera oder medizinischen Geräten. Unzählige Kontakte zwischen den Komponenten sind dafür nötig – ein riesiger Verdrahtungsaufwand. Dabei sollen die winzigen Systeme zugleich einen geringeren Platz beanspruchen und mit möglichst wenig Energie auskommen.

Gestapelte Komponenten

Eine Lösung sehen Wissenschaftler in Mikrochips mit dreidimensionalen Strukturen. In mehreren Ebenen „übereinandergestapelt“, können deren Komponenten auf kleinstem Raum verschiedene Aufgaben erledigen – schneller und energieeffizienter als bislang.

Ganz vorn bei dieser Entwicklung will der Mikro- und Nanotechnologiestandort Dresden mitspielen. Bis November soll hier ein neues Forschungszentrum der Fraunhofer-Gesellschaft entstehen. Die Wissenschaftler wollen am „Fraunhofer-Zentrum All Silicon System Integration Dresden“ (Assid) dann die Technologien entwickeln, um die Strukturen der Chips in die dritte Dimension wachsen lassen zu können.

50 Millionen Euro fließen in den Aufbau des Zentrums – aus einem EU-Fonds zur Regionalentwicklung sowie zu gut einem Drittel gemeinsam von Bund und Land. Dem stimmte gestern Sachsens Regierung zu, wie Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) im Anschluss berichtete. Die endgültige Entscheidung über die Errichtung des neuen Forschungszentrums fällt am 17.Februar bei der Fraunhofer-Gesellschaft. In den kommenden fünf Jahren wird der Betrieb des Zentrums dann von Sachsen mit 7,3Millionen Euro finanziert. Bis zu 40 Mitarbeiter sollen hier tätig sein.

Sachsen habe damit die einmalige Chance, im internationalen Vergleich die Vorhut-Stellung bei dieser Technologie anzustreben, sagte die Ministerin. Die Region Dresden habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem europäischen Zentrum der Mikro- und Nanotechnologie entwickelt. Allerdings zeigten die aktuellen Entwicklungen, dass im globalen Wettbewerb, der in diesem Bereich extrem scharf sei, auch ein Verlust der Konkurrenzfähigkeit und in deren Folge die Abwanderung in andere Regionen drohe. Mit der jetzt geplanten Entwicklung der sogenannten dreidimensionalen Silizium-System-Integration und der zeitnahen Überführung in die Produktion, hofft die Regierung, könne der Standort Dresden bei der Technologieentwicklung auch mittel- und langfristig Schritt halten.

Extrem dünne Schichten

Aufgebaut wird die neue Einrichtung im Rahmen des Dresdner Fraunhofer-Zentrums für Nanoelektronische Technologien (CNT). Das Assid könnte in einen derzeit nicht genutzten Reinraum im Dresdner Norden einziehen, der vom Chip-Herstellers Qimonda in unmittelbarer Nachbarschaft übernommen und für die speziellen Anforderungen der Forscher hergerichtet werden soll. Vom Entwurf bis zum Prototypen sei die Entwicklung der neuen Chips dann möglich, bestätigt Professor Herbert Reichl vom Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration Berlin (IZM). Firmen sollen deshalb sogar die Anlagen für eine Pilotproduktion nutzen können.

Mikrochips müssten in zunehmendem Maße Sensorik, analoge und digitale Signalverarbeitung sowie aktive Komponenten vereinen, erklärt Reichl. Die Schichten, die die Forscher dafür übereinanderstapeln, müssen extrem dünn sein – im Bereich von 50 bis 100 Millionsteln eines Millimeters. Das Beherrschen dieser ultradünnen Schichten und der Kontakte zwischen ihnen ist eine der großen Herausforderungen an die Wissenschaftler. „Bis zu 20 solcher Lagen können sich in so einem System befinden“, erläutert Reichl. „Damit kann man kompakte Systeme herstellen, die sehr schnell sind.“

Beispiel Kamera: In kürzester Zeit sollen die Pixel zum Prozessor-Chip gelangen. Wollte man den Weg vom Linsensystem bis dorthin über mehrere Chips realisieren, wären unzählige Verdrahtungen nötig, die letzten Endes nicht nur die Zuverlässigkeit verringern, sondern auch Zeit und Energie kosten. „Mit der Stapeltechnologie reduzieren wir die Anzahl der Kontakte drastisch“, sagt Reichl.

Dass die Fraunhofer-Gesellschaft ihre neue Einrichtung gerade in Dresden plant, führt Professor Peter Kücher, Leiter des CNT, auf die hervorragenden Bedingungen zurück: Die Konzentration von universitären und anderen Forschungseinrichtungen bis hin zu Anwendern am Standort sei eine „im Weltmaßstab einmalige Situation“. „Damit lässt sich eine Kette herstellen von der Entwicklung bis in die Produktion hinein.“
Von Frank Essegern