Karl Nolle, MdL

Die Weltl, 17.01.2009

"Sächsischer Dankesorden"

Wladimir Putins arroganter Auftritt in Dresden
 
Es war Tag elf der Gasblockade, als Russlands Regierungschef in Dresden einen Dankesorden erhielt. Damit nicht genug der Verrücktheiten: Putin war ausgerechnet in Dresden über Jahre für den KGB tätig. Und am Ende des Abends mahnte er noch eine gefälligere Berichterstattung über Russland an.

Während die deutschen Gasspeicher wegen der russischen Lieferblockade nur noch zur Hälfte gefüllt sind, wächst der Ärger über den arroganten Auftritt des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin am Freitag in Dresden. „Selbstbewusst ist eine freundliche Umschreibung“, sagt ein Mitarbeiter der Staatskanzlei, der ungenannt bleiben will.

Putin war nach Dresden gekommen, um beim Opernball den „Dankorden des Semperopernball e.V.“ für seine Verdienste um den sächsisch-russischen Kulturaustausch in Empfang zu nehmen. Wie es heißt, hatte Putin den dringenden Wunsch geäußert, den Orden aus den Händen des Ministerpräsidenten persönlich zu empfangen. Ein Wunsch, den man ohne Brüskierung des hohen Gastes nicht abschlagen konnte, der aber Ministerpräsident Stanislaw Tillich in eine gewisse Verlegenheit brachte.

Es war ja klar, dass Bürgerrechtler daran erinnern würden, dass Tillich zur nämlichen Zeit in der sächsischen Blockpartei CDU Karriere machte, als der damalige KGB-Agent Putin in Sachsen einen Spionagering aufzubauen versuchte. Man habe am Freitag in der Semperoper die Aufführung „Blockflöte mit Tscheka“ gegeben, schimpfte etwa der frühere DDR-Dissident Werner Schulz (Bündnis 90/Grüne) auf WELT ONLINE.

In der Staatskanzlei weist man darauf hin, dass Tillich in seine Laudatio einige Sätze aufgenommen habe, die in der Version fehlten, die vorab der russischen Seite zugestellt wurde. Dazu gehörten der Hinweis, dass Dresden auf die Rückgabe weiterer Beutekunst hoffe; die Bemerkung, „heute“ – im Gegensatz zu früher – seien Deutschland und Russland „echte Partner“, was wir „Freiheit und Demokratie zu verdanken“ hätten; und Tillichs Schlusssatz: „Herzlich willkommen im Freistaat der Freiheit und der Leidenschaft“. Putin allerdings habe den Text seiner Dankesrede erst gar nicht vorab übermittelt.

Putins eigentliche Botschaft überbrachte er nach dem Ball am späten Abend einem Kreis deutscher Chefredakteure, die er nach Dresden hatte rufen lassen. Sie sollten „nicht hochnäsig sein“, belehrte der Kreml-Chef die Zeitungsleute. Und was den Gaskonflikt mit der Ukraine angehe: „So lange in Deutschland die Meinung vorherrscht, Russland sei schuld an der Lage, wird die Ukraine ihre Haltung im Streit nicht ändern.“ Im Klartext: Die deutschen Chefredakteure sollten die öffentliche Meinung zugunsten Moskaus beeinflussen – dann werde das Gas schon wieder durch die Ukraine fließen. „Das klang nicht nach Konzessionsbereitschaft, eher nach dem unbedingten Willen, ein Problem final zu lösen“, bemerkte einer, der bei dem Treffen zugegen war.

Derweil lud der nominell für die Außenpolitik zuständige Präsident Dmitri Medwedjew die Regierungschefs aller vom Gasstreit betroffenen Länder zu einem Krisengipfel nach Moskau ein. Freilich nahmen außer der ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko nur Vertreter aus Moldawien, Serbien und Kasachstan teil. Die Europäische Union schickte Energiekommissar Andris Piebalgs zusammen mit dem tschechischen Energieminister Martin Riman. Die 27 Mitgliedstaaten waren übereingekommen, sich in Moskau gemeinsam vertreten zu lassen – ein großer Erfolg für die EU.

Die Stimmung unter den Europäern ist gereizt. Bevor sie am Freitag Putin zu einem Gespräch über die Gas-Krise empfing, sagte Kanzlerin Angela Merkel, Russland verliere durch die Gasblockade seinen Ruf als verlässlicher Lieferant. Der EU-Ratsvorsitzende Mirek Topolanek, Premierminister der Tschechei, sagte in Prag, die Geduld der Europäer sei „erschöpft“. Zwar kritisierte Topolanek auch die Ukrainer, doch merkten Beobachter in Brüssel an, dass sich Vertreter der EU-Länder Polen, Slowakei und Litauen am „Gegengipfel“ beteiligt hätten, den der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko in Kiew am Tag vor dem Moskauer Gipfel zusammenrief. Damit hätten diese ehemaligen Ostblockländer zum Ausdruck gebracht, dass sie eine europäische Äquidistanz zu Russland und Kiew im Gaskonflikt nicht billigen, sondern Russland als Hauptschuldigen ansehen.

Diese Haltung wird auch – wenn auch nicht öffentlich – in London geteilt. Bei einem Besuch in der Ukraine kurz vor Ausbruch der Gaskrise hatte die britische Europaministerin Caroline Flint die Position ihrer Regierung bekräftigt, derzufolge die Ukraine in die EU gehört. Großbritannien sieht den Gaskonflikt als Versuch Russlands, die Beziehungen der Ukraine zum Westen zu torpedieren.

Für diese Deutung spricht eine Bemerkung Putins im Kreis der deutschen Chefredakteure: „Man kann auch Georgien und die Ukraine anders schützen als durch eine Nato-Mitgliedschaft.“ Dass der Mann, der zwei georgische Provinzen faktisch annektiert hat, von „Schutz“ sprach, fanden einige Teilnehmer so unpassend wie die Tatsache, dass der ihm überreichte Orden das Motiv des Heiligen Georg ziert. Der ist nämlich der Schutzheilige Georgiens.