Karl Nolle, MdL
welt-online - 13.45 Uhr, 17.01.2009
“Blockflöte für Tschekisten" - Kommentar von Werner Schulz
Am Freitag gab es beim Dresdner Semperoperball die sarkastische Uraufführung einer „Blockflöte mit Tscheka“.
Wäre die Sache nicht bitterer Ernst, würde man sie für einen Scherz der "Titanic" halten. Gestern Abend gab es beim Dresdner Semperopernball die Uraufführung einer "Blockflöte mit Tscheka". Überreichte Ministerpräsident Tillich den Sächsischen Dankesorden an den russischen Präsidenten und Ex-KGB Oberstleutnant Putin für Verdienste um den deutsch-russischen Kulturaustausch.
Stanislaw Tillich, unlängst mit peinlichen Lücken in der eigenen Biografie aufgefallen, wollte offenbar das Jubiläumsjahr der friedlichen Revolution mit einem besonderen Knaller einleiten. Dem lupenreinen Schröder-Demokraten sollte zu allem Ärgernis noch der kulturpolitische Brillantschliff verpasst werden. Das Ordensschmuckstück aus hochkarätigem Gold ziert das Motiv des heiligen Georg und sein Kampf für das Gute. Nur muss man bei Putin tatsächlich mit der Lupe danach suchen. Nachdem er in der Sowjetunion an der Verfolgung von Dissidenten mitgewirkt hat, war er in der Dresdner Außenstelle des KGB bis zuletzt damit bemüht, den Gang der Geschichte aufzuhalten.
Noch am 6. Dezember 89 empfing er die Demonstranten, die sich für seine Arbeit in der Angelikastraße interessierten, mit der Waffe in Hand, um ihr Vordringen zu verhindern. In der Nacht brannten dann die Holzöfen mit den gefragten Dokumenten. Erst als sein Spionagering aufflog, ging er zurück in die kalte Heimat. Mithilfe informeller Klans aus ehemaligen und noch aktiven KGB-Freunden gelang ihm schnell eine steile Karriere. Die Garantie der Straffreiheit zur Korruption der Jelzin-Getreuen verschaffte ihm die Nachfolge ins Präsidentenamt.
Eine Kostprobe seiner Skrupellosigkeit lieferte er bereits im ersten Tschetschenien-Krieg. "Dem Viehzeug sollte man die Gurgel umdrehen" - war auf Russisch zum Umgang mit Tschetschenen zu hören. Anna Politkowskaja, die über solche Gräueltaten berichtet hat, bekam das später zu spüren. Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt.
Wer Putin politisch gefährlich erscheint, wird wie Michael Chodorkowski ins Arbeitslager verbannt. Während er selbst den warmen Empfang in der Dresdner Semperoper genießt, lassen ihn die frierenden Bewohner Osteuropas kalt. Gas ist die neue Waffe für seine Großmachtambitionen. Mit Kulturaustausch hat das alles nichts zu tun. Seit Putins Regentschaft ist die Rückgabe von Beutekunst, worauf man in Dresden anscheinend hofft, auf Eis gelegt. Aber vielleicht sollte man sich dafür mit der Hamburger Universität austauschen, welche die Vergabe der Ehrendoktorwürde an Putin mit Bedauern zurückgezogen hat.
Der Autor war DDR-Bürgerrechtler und Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen