Karl Nolle, MdL
Agenturen, dpa, 15:50 Uhr, 05.02.2009
Blockflöten-Sonate»: Enthüllungsbuch über CDU sorgt für Wirbel
Dresden (dpa/sn) - In Sachsens CDU geht erneut ein Gespenst um. Es trägt diesmal zwar keine kommunistischen Züge, kommt aber gleichfalls in Form eines Manifestes daher. In dem Band «Sonate für Blockflöten und Schalmeien» hat der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle (63) auf 300 Seiten mehr als 100 Biografien von CDU-Politikern beleuchtet: «Ich möchte damit die Doppelmoral und Doppelzüngigkeit der CDU zeigen, schließlich hat sie ja damals die Rote-Socken-Kampagne vom Zaum gebrochen.» Im März soll das Schwarzbuch erscheinen.
Die vom früheren CDU-Generalsekretär Peter Hintze 1994 forcierte Kampagne unterstellte ein Zusammengehen der SPD mit der damaligen PDS. Allerdings blieb das plakative Vorgehen selbst in der Union umstritten, die Linken empfanden die Kampagne ohnehin mehr als Werbung in eigener Sache. Karl Nolle, der sich als Chefaufklärer im Dienste der Wahrheit sieht und sich als eine Art freies Radikal nur schwer in die schwarz-roten Koalition von Sachsen einbinden lässt, will mit Blick auf anstehende Wahlen 2009 «Wendehälse entlarven».
Den Anlass lieferte Sachsens CDU-Regierungschef Stanislaw Tillich schon 2008. Ihm wurde vorgeworfen, in Fragebögen und Publikationen Details seiner beruflichen Karriere verschwiegen oder nicht in vollem Umgang offenbart zu haben. Der Sorbe war zu DDR-Zeiten kurzzeitig im Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung zuständig und in diesem Amt auch Stellvertreter der staatlichen Behörde. Die Vorwürfe lösten eine Debatte über den Umgang der CDU mit ihrer Geschichte als Blockpartei aus. Tillich bekam in der Bevölkerung viel Rückhalt.
Nolle - im bürgerlichen Leben Druckereibesitzer - hat nach eigenem Bekunden bereits seit langem in öffentlich-zugänglichen Quellen über CDU-Politiker recherchiert. In welcher Auflage der Autor und Eigenverleger seine «Blockflöten-Sonate» auf den Markt bringt, weiß er noch nicht. «Die Auflage ist so groß wie der Markt. Ich kann jederzeit nachdrucken.» Schon im Vorfeld gebe es großes Interesse. Vor allem in der eigenen Partei hat Nolle Lesehunger ausgemacht.
In Sachsens CDU sorgt Nolles Engagement für Unbehagen. Nicht vergessen sind die Zeiten, als der schwergewichtige SPD-Mann Ex- Regierungschef Kurt Biedenkopf im Landtag mit einer IKEA-Tasche provozierte - Biedenkopf sah sich damals kritischen Fragen im Zusammenhang mit einem Rabatt beim schwedischen Einrichtungshaus konfrontiert. Auch sein Nachfolger Georg Milbradt (CDU) konnte den aufklärerischen Tatendrang Nolles nicht bremsen.
«Es ist unredlich, einen Menschen nur nach seiner Zeit in der DDR zu beurteilen», sagt Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer und ist überzeugt, dass die ganze Sache nach hinten losgeht. «Bisher war diese Debatte ein großes Eigentor für diejenigen, die sie losgetreten haben», erklärte er kürzlich auf dem CDU-Parteitag in Dresden, wo das Thema Vergangenheit mit keiner Silbe eine Rolle spielte. Wer so mit der Biografie von Leuten umgehe und sie für den Wahlkampf instrumentalisiere, treffe nicht die Stimmung der Leute.
Aber auch alte Ost-West-Gräben tun sich wieder auf. «Nur wer in der DDR gelebt hat, kann über die Lebenswege der Ostdeutschen urteilen», meint Kretschmer mit Blick auf den aus Niedersachsen stammenden Nolle. Die Linken sehen in solchen Äußerungen Krokodilstränen. «Nicht Herr Nolle ist das Problem, sondern die Unehrlichkeit der CDU Sachsen mit ihrer eigenen Geschichte - die eben nicht erst 1990 begann», sagt Landesgeschäftsführer Rico Gebhardt.
Von Jörg Schurig
dpa su yysn a3 gj
051550 Feb 09