Karl Nolle, MdL

Junge Welt JW, 28.04.2009

Karl Nolle - VERFOLGTER - VERFOLGER - DES - TAGES

 
Dem sächsischen SPD-Landtagsabgeordneten aus Hannover ist eine gewisse Sturheit eigen: Wen er einmal beim Handaufhalten oder sonstwie im politischen Fettnapf ertappt hat, hat sich auf einen Bulldoggenbiß vorzubereiten. Die Tierchen lassen bekanntlich kaum los. Karl Nolle hat in seiner Trophäensammlung die beiden ungekrönten Sachsenmonarchen Biedenkopf (Dienstwagenaffäre) und Milbradt (Landesbank), am Sturz des amtierenden Landverwesers Tillich (lustig überarbeitete DDR-Biographie) arbeitet er gerade. Politische Leichen, darunter eine Ministerin (Fluthilfegelder) und ein Staatssekretär (Provisionszahlungen), säumen seinen Weg. Aus der Dresdner Staatskanzlei des Freistaates drang seit Monaten Heulen und Zähneklappern — Nolle hatte verkündet, daß er in diesem Frühjahr ein Buch auf den Markt werfen werde. Titel: »Sonate für Blockflöten und Schalmeien. Erinnerungen an die nicht aufgearbeitete Geschichte der Staatspartei CDU und ihre tiefe Verwurzelung im SED-Regime. Am Beispiel des Staatsfunktionärs Stanislaw Tillich, der sächsischen CDU und ihre jahrzehntelangen besonderen >Erfahrungen< mit Politik.«

Da so etwas in Sachsen den Tatbestand der Majestätsbeleidigung erfüllt, schlägt das Elb-Imperium zurück: Die Dresdner Staatsanwaltschaft eröffnete urplötzlich, kurz vor Erscheinungstermin von Nolles Demontagekompendium, ein »Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs«, angeblich begangen in den Jahren 2005 und 2007. Wie in einem ordentlichen Duodezfürstentum üblich, hat die Behörde offiziell keine Ahnung, warum Nolle davon aus der Chemnitzer Freien Presse erfuhr. Spiegel online berichtete am Freitag, daß die Geschichte mindestens einem weiteren sächsischen Journalisten »von einem hohen Regierungsbeamten« angeboten wurde. Nolle kennt das schon: Als er Biedenkopf 2002 mit zur Strecke gebracht hatte, kam eine dreiwöchige Steuersonderprüfung über ihn. Freier Rechtsstaat eben.
(asc)