Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.05.2001
Steuerzahlerbund fordert Bezahlung des Personals
Staatskanzlei entdeckt brisanten Vermerk des Rechnungshofes
DRESDEN. In der Biedenkopf-Affäre zeichnet sich kein Ende ab. Während die SPD-Fraktion am Freitag über 30 neue Fragen an die Staatsregierung ankündigte, fordert der Bund der Steuerzahler vom Ministerpräsidenten die volle Begleichung der privaten Leistungen des Dienstpersonals am Chiemsee.
Für Kurt Biedenkopf (CDU) war am Mittwoch zum Thema Gästehaus Schevenstraße alles Wesentliche geklärt. Vorsichtshalber fügte der Ministerpräsident jedoch hinzu: "Sollte es dennoch weitere (Sachverhalte, d. A.) geben, die zu Zweifeln Anlass bieten, wäre ich ausdrücklich für offene Mitteilung dankbar."
Nichts lieber als das, sagte sich ihrerseits die Opposition. "Nach Lektüre der 300 Seiten ergeben sich für mich mehr Fragen als Antworten", erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle am Freitag. Und kündigte gleich einen Berichtsantrag sowie mehrere Kleine Anfragen an die Staatsregierung an - insgesamt mehr als 30 Fragezeichen. Die Neugier reicht von den sonstigen Bewohnern des Gästehauses bis zur Nutzung von Dienstfahrzeugen für den Transport von Biedenkopfs Enkeln.
Bei der Überprüfung hatte sich bestätigt, dass die Biedenkopfs das Personal von der Schevenstraße auch an ihrem Wohnhaus am Chiemsee nutzten - offenbar auch zu Terminen mit "eher privatem Hintergrund". Staatskanzleichef Georg Brüggen (CDU) summierte den steuerpflichtigen geldwerten Vorteil auf rund 31 600 Mark, was einer Steuernachzahlung von etwa 15 800 Mark entspreche. Nach Ansicht des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler in Sachsen, Thomas Meyer, ist das nicht korrekt: "Offenbar hat Herr Biedenkopf diese Leistungen unberechtigt in Anspruch genommen", sagte Meyer der SZ. Deshalb müsse der Arbeitgeber die Zahlung der vollen 31 600 Mark einfordern. Als mündiger Steuerzahler hätte der Ministerpräsident das wissen müssen. Meyer: "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht." Auch SPD-Fraktionschef Thomas Jurk verlangte, dass Biedenkopf die Rechnung in voller Höhe zahlen soll.
Anders liegt der Fall, wenn die Biedenkopfs die Dienste von Koch und Putzfrau in der Dresdner Amtswohnung in Anspruch nehmen. Dies sei vertraglich abgesichert, betonte Brüggen. Dafür zahlt Biedenkopf eine Warmmiete von rund 12 Mark pro Quadratmeter. Der Rechnungshof hat für das Gästehaus allerdings eine andere Rechnung aufgemacht: Danach hätten 1993 die Entgelte bei 92 Mark pro Quadratmeter liegen müssen. Der brisante Prüfvermerk befindet sich in den Akten, die dem Finanzausschuss des Landtags übergeben wurden. In der Staatskanzlei war das Schreiben bislang vermisst worden, der damalige Amtschef Günter Meyer bestritt sogar, es jemals gesehen zu haben. Am Freitag tauchte der Vermerk urplötzlich auf; nun sucht man nach einer eventuellen Antwort. "Wir arbeiten und arbeiten", beschied Regierungssprecher Michael Sagurna alle Fragesteller.
Wegen Steuerhinterziehung prüft auch die Dresdner Staatsanwaltschaft - wenngleich noch ohne Ergebnis. Es sei weiter offen, ob gegen Kurt Biedenkopf ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde, teilte ein Sprecher mit. Die Anzeige ist mittlerweile zwei Wochen alt.
(Steffen Klameth)