Karl Nolle, MdL

welt-online.de, 12.05.2009

Tillich bleibt nach Richterspruch Antwort schuldig

 
Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) wurde von einem Dresdner Gericht verpflichtet, Auskunft über seine Karriere als DDR-Funktionär zu geben. Seine Staatskanzlei verzichtet auf Rechtsmittel, antwortet aus Sicht von Kritikern aber ungenügend. Jetzt werden erste Rücktrittsforderungen laut.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verzichtet in der Biografie-Affäre auf Rechtsmittel. Seine Staatskanzlei war am Donnerstag vom Verwaltungsgericht Dresden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, der Presse „vollumfänglich und wahrheitsgemäß“ bisher verweigerte Auskünfte zur DDR-Vergangenheit des Regierungschefs als Partei- und Staatsfunktionär zu erteilen.

Dieser Auflage will die Staatskanzlei nachkommen. Bereits gestern übermittelte sie entsprechende Informationen. Allerdings beantwortete die Regierungszentrale andere Fragen als die, die das Gericht in seinem Beschluss zitiert hat. Danach sollte Tillich beispielsweise erklären, ob er in der DDR für Parteien oder Massenorganisationen „Manadate oder Funktionen“ ausgeübt hatte. Daraus machte die Staatskanzlei kurzerhand „Mandate und herausgehobene Funktionen“, definierte ausführlich den Begriff „herausgehoben“ und erklärte: „Der Ministerpräsident hat diese Frage mit ‚Nein’ beantwortet.“

Der Dresdner „Spiegel“-Korrespondent Steffen Winter, dessen Verlag gegen die Staatskanzlei geklagt hatte, sagte zu diesem Vorgehen: „Sicher ist, dass nicht die Fragen beantwortet worden sind, die das Gericht beantwortet haben wollte. Es sind einfach neue Fragen kreiert worden.“ Zur Durchsetzung des Beschlusses könnte das Gericht notfalls Zwangsmittel anordnen.

Tillichs Vergangenheit bringt CDU in Erklärungsnot Tillichs Regierungssprecher ist hingegen sagte, dem Beschluss des Gerichts sei nachgekommen worden. Nach dieser Rechtsauffassung muss der Ministerpräsident nicht die im Beschluss zitierten Fragen beantworten, sondern Auskunft über Inhalte einer dienstlichen Erklärung geben. Diese hat Tillich 1999 bei seinem Eintritt als Minister in die sächsische Staatsregierung abgegeben. „Der Ministerpräsident hat vollständig und zutreffend die Fragen aus dem Fragenbogen beantwortet, den er damals ausgefüllt hat“, so der Regierungssprecher.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle warf dem Regierungschef „Taschenspielertricks zur Desinformation“ vor, mit denen die Öffentlichkeit getäuscht werden solle. Die Linkspartei im Sächsischen Landtag fordert den Ministerpräsidenten wegen des Umgangs mit seiner DDR-Karriere zum Rücktritt auf: „Wenn er über politischen Anstand und menschliches Ehrgefühl verfügen sollte, muss er von sich aus die notwendigen Konsequenzen ziehen.“

Tillich stieg nach seinem Eintritt in die DDR-CDU im März 1987 zum Abgeordneten im Kreistag Kamenz und zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises auf. Laut ehemaligen Parteifreunden soll er außerdem Mitglied des CDU-Kreissekretariats Kamenz gewesen sein. Wegen der Biografie-Affäre steht er seit November 2008 unter politischem Druck. Damals wurde bekannt, dass der Christdemokrat nach der Wende gleich mehrere Parlamente mit unvollständigen und in Details falschen Lebensläufen getäuscht hatte. In gut drei Monaten muss Tillich eine Landtagswahl bestehen.
Von Uwe Müller