Karl Nolle, MdL
Agenturen, dpa, 16:15 Uhr, 19.06.2009
SPD-Chefaufklärer Nolle bietet Wahlkampfmunition
Dresden (dpa/sn) - Ost-Zündstoff für Sachsens Wahlkampf: Zehn Wochen vor der Landtagswahl ist das langerwartete - und von manchen schon im Vorfeld verhasste - Buch des SPD-«Chefaufklärers» Karl Nolle erschienen. In «Sonate für Blockflöten und Schalmeien» beschäftigt sich der Landtagsabgeordnete auf mehr als 330 Seiten mit der Ost- Vergangenheit von zumeist sächsischen CDU-Funktionären. Er wirft ihnen Kollaboration mit dem SED-Regime vor, Legendenbildung, Manipulation. Die Namensliste ist lang und prominent, von Landräten über ehemalige Minister bis zu aktiven Abgeordneten und der Ministerpräsidenten-Gattin. Nolle gestattet sich auch einen Blick auf die Union in den Nachbarländern Thüringen, Brandenburg und Sachsen- Anhalt.
Nach eigener Aussage will Nolle nicht die Vergangenheit von Politikern anprangern: «Nicht die Biografien sind eine Schande, sondern der Umgang mit ihnen.» Im Fokus steht etwa Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der seine eigene Biografie - zum Beispiel durch Verschweigen von Details zu seiner Tätigkeit im Rat des Kreises Kamenz zwischen 1987 bis 1990 - manipuliert habe. Nolle belegt das mit Auszügen aus biografischen Handbüchern von DDR- Volkskammer, EU-Parlament, Landtagshandbüchern und Homepages. Sein Fazit zu Tillich: «So einer ist fehl am Platze.»
Vorwürfe, wonach der Regierungschef in einem Lebenslauf etwas vertuscht habe, stehen seit dem vergangenen Jahr im Raum. Tillich hat das immer wieder - zuletzt schon fast entnervt - zurückgewiesen. Aus den eigenen Reihen wurde und wird er immer wieder verteidigt. Regierungssprecher Peter Zimmermann etwa sprach im Mai mit Blick auf Nolles Nachfragen und Veröffentlichungen von gezielter Denunziation. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer erklärte am Freitag: «Karl Nolle erinnert mich an Karl-Eduard von Schnitzler (der war einst Chef-Kommentator im DDR-Fernsehen) - er führt sich so auf und arbeitet auch so.»
«Das heute vorgestellte Buch ist kein Sachbuch, sondern reine SPD- Wahlkampfpropaganda», so Kretschmer weiter. Und er blickt voraus: «Jetzt fragt sich kein Sachse mehr, ob denn nach der Landtagswahl eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD möglich wäre.» Sein SPD-Kollege Dirk Panter gab sich eher zurückhaltend, er sprach vom «Buch eines frei gewählten Abgeordneten», das jeder für sich interpretieren müsse. Er wolle es nicht als Wahlkampfmunition sehen.
Für Furore im Vorfeld des Buches hatte nicht nur die Causa Tillich gesorgt. Nolle - auch in seiner Partei nicht unumstritten - wurde nämlich vorgehalten, als «Wessi» Deutungshoheit über DDR-Biografien haben zu wollen. Die Leserbriefseiten der Zeitungen waren gefüllt mit Pro und Contra. Der Abgeordnete und Druckereibesitzer hat auch solche Post erhalten, er gibt Auszüge in seinem Buch wieder. Nach eigenem Bekunden ist er froh, dass er eine notwendige Debatte angeschoben habe. Der 64-Jährige, der mit Anfragen und Dokumentensammlungen Munition zu den Rücktritten der CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt gesammelt hatte, lässt keinen Zweifel an seinem weiteren Tun: «Dieses Buch wird wahrscheinlich nur eine Zwischenstation sein auf dem Weg zur ganzen Wahrheit.»
Von Petra Strutz
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