Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 01.07.2009

Staatsanwalt prüft Medios-Unterlagen

Rechnungshof rügt Südraum-Projekt zur Schul-Vernetzung / Köpping: Haben uns nicht vorzuwerfen
 
Wurzen. Medios steht für Medienoffensive Schulen, wurde als Erfolgsmodell gefeiert und verdiente sich sogar Ausrufezeichen als erfolgreiches Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit. Doch seitdem der Rechnungshof seinen Jahresbericht 2008 vorlegte, überwiegen bei Medios die Fragezeichen.
Von HEINRICH LILIE

Medios, das Projekt zur EDV-Vernetzung von Schulen im Südraum Leipzig, hat einst 7,2 Millionen Euro gekostet und ist mit 5,4 Millionen Euro EU-Förderung unterstützt worden. Weil der sächsische Rechnungshof eine unzulässige Spendenpraxis und Fehler im Vergabeverfahren anmahnte, fordert die Landesdirektion Leipzig vom Träger des Medios-Projektes, dem Zweckverband (ZV) Kommunales Forum Südraum Leipzig, seit April mehr als zwei Millionen Euro Fördergeld zurück, und die Staatsanwaltschaft Leipzig prüft, ob Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat eingeleitet werden. Gegen die Rückforderung hat das Forum Widerspruch angekündigt.

Was ist mit der 1,8 Millionen-Euro-Spende, die von einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) „aus führenden IT-Unternehmen“ im Zusammenhang mit Medios ans kommunale Forum gezahlt wurde? Dieser Vorgang sei mit dem damaligen Regierungspräsidium abgestimmt gewesen, erklärte Forumsvorsitzender Bernd Klose (SPD), Oberbürgermeister in Markkleeberg. Die Landesdirektion sieht das anders. Es sei stets deutlich gemacht worden, dass eine Spende grundsätzlich möglich sei, sie müsse jedoch zweckfrei erfolgen. Genau das aber verneint der Rechnungshof und verweist auf einen Vertrag zwischen Zweckverband und Arge. Nach Einschätzung der Dresdener Prüfer ist dort fixiert, dass die Spende zurückgefordert werden kann, wenn die Arge nicht den Medios-Auftrag erhält.

Im Widerspruchsverfahren gegen die Rückforderung, das von ZV-Geschäftsführerin Steffi Raatzsch angekündigt wurde, dürfte die Frage der Zweckfreiheit der Spende eine entscheidende Rolle spielen. Die Begründung für den Widerspruch werde momentan von Anwälten erstellt, erklärte Raatzsch. Eine erste Stellungnahme wurde nach Informationen dieser Zeitung gegenüber der Landesdirektion allerdings bereits abgegeben. Dass IT-Unternehmen dem Zweckverband einen Millionenbetrag zur Beseitigung von verunreinigter Erde zur Verfügung stellen, sei wohl kaum zu erwarten, hieß es darin sinngemäß.

Was ist mit den Kosten für das Medios-Projekt? Die zweite große und ungeklärte Frage, die auf Beantwortung wartet. Die knapp 1100 Computerarbeitsplätze, die im Südraum Leipzig entstanden sind, haben durchschnittlich 6600 Euro gekostet – und damit ziemlich genau das Dreifache von dem, was das sächsische Kultusministerium seinerzeit für einen Arbeitsplatz ansetzte. 1534 Euro pro PC plus noch einmal knapp die halbe Summe für Vernetzung – auch dieser Wert ist im Rechnungshofbericht 2008 nachzulesen. Die sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung, für die fachliche Beurteilung von Medios zuständig, mochte sich zu den Kosten nicht äußern – wegen des laufenden Verwaltungsverfahrens, teilte der Direktor auf Anfrage mit.

Welche Rolle spielt in dem Vorgang Petra Köpping (SPD), die ehemalige Landrätin des Kreises Leipziger Land? Auch diese Frage tauchte im Zusammenhang mit Medios auf. Sie gehörte dem Zweckverband an und hatte sich stets besonders für die Umsetzung eingesetzt. Köpping lebt mit Gerhard Commes zusammen, zum Zeitpunkt der Projektrealisierung Leiter der Firma Siemens Information and Communication Networks (ICN). Diese Firma gehörte der Arge an. Bei der Finanzierung des Projektes habe der „heute nicht mehr existente Geschäftsbereich ICN“ keinerlei Rolle gespielt, antwortete Claudia Heckelmann, Pressesprecherin bei Siemens Enterprise Communications in München, schriftlich auf eine Anfrage. Sie räumte jedoch ein, dass ICN „einer der Lieferanten des Generalauftragnehmers“ – nach Informationen dieser Zeitung die Deutschen Telekom AG – gewesen sei. Auch die Telekom gehörte laut Rechnungshof zunächst der Arge an, die mit dem Zweckverband den monierten Spendenvertrag geschlossen hatte, stieg allerdings vor dem Abschluss des Millionenschweren Liefer- und Wartungsvertrages aus.

Mit diesen und vermutlich vielen weiteren Detailfragen beschäftigt sich inzwischen die Staatsanwaltschaft Leipzig. „Umfangreiche Unterlagen“ seien zu sichten, teilte deren Sprecher Lutz Lehmann mit. Es gelte zu prüfen, ob ein Straftatbestand bestehe und ob Ermittlungen gegen eine Person oder gegen Unbekannt eingeleitet würden. Für eine Einschätzung sei es noch zu früh. Köpping sagte, sie begrüße die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft: „Wir haben uns nichts vorzuwerfen.“ Die Mitgliedskommunen des Kommunalen Forums dürften das Verfahren mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Sollte die Rückforderung der Landesdirektion rechtskräftig werden, kommen kräftige Zahlungsverpflichtungen auf sie zu. Die dicksten Brocken auf Borna und Markkleeberg: jeweils rund eine halbe Million Euro.