LVZ/ DNN, 07.04.2001
Die Woche in Dresden
Erinnern Sie sich noch an Watergate?
DRESDEN. Die Republikaner hatten die Demokraten ausspioniert, und als der Skandal aufflog, musste Präsident Richard Nixon seinen Hut nehmen. Oder an die Flick-Affäre, bei der Großindustrielle an der Steuer vorbei Parteien finanzierten? Glaubt man den Oppositionsparteien im Landtag, dann hat jetzt der Freistaat eine handfeste Affäre, bei der Ministerpräsident Kurt Biedenkopf im Mittelpunkt steht - die Putzfrauen-Affäre. Es geht um die Fragen: Zahlt Biedenkopf zu wenig Miete für seine Dienstwohnung am Loschwitzer Elbhang? Säubern die Putzfrauen neben dem Gästehaus des Freistaates, das im selben Gebäude liegt, auch Ingrids und Kurts Privatgemächer? Werden gar die Enkelkinder in der Staatskarosse zur Schule chauffiert? Verschiedene Zeitungen von der Bild bis zur FAZ stürzten sich diese Woche auf den vermeintlichen Skandal. Man muss mit weiteren Meisterleistungen investigativen Journalismus' rechnen: "Gepeinigte Putzfrau packt aus" oder "Ingrids Leibkoch: Ich hasse Kartoffelsuppe". Mal im Ernst, worum geht es am Elbhang? Weniger um einen Skandal, als um die monarchistische Art der Amtsführung des Ministerpräsidenten. Seit er seinen Finanzminister Georg Milbradt gefeuert hat, wird offen kritisiert, dass er nach Gutsherrenart regiert. Wie er mit seinem Rücktrittstermin taktiert, wie er seinen Nachfolger bestimmen will oder auch nur wie Personenschützer das Handtäschchen der Gattin apportieren müssen - all das signalisiert dem Betrachter: L'etat c'est moi! Das ist jedoch nicht allein Biedenkopfs Werk. Alle, die ihn und sein Umfeld auf das König-Kurt-Ross gesetzt haben, haben ihren Anteil daran. Heute scheint der Ministerpräsident daher von sehr weit oben herabzuschauen und die Bodenhaftung verloren zu haben. Genau das ist es, was viele Leute zurecht ärgert. Nicht die billige Miete oder das die Putzfrau mal den königlichen Schmutz wegwischt. Klar könnte man Ingrid und Kurt zurufen: Macht doch Euern Dreck alleene weg. Aber der Vorwurf, das Ehepaar wolle sich bereichern, ist absurd! Spannend ist jedoch, wie das Umfeld Biedenkopfs reagierte. Verschnupft! Patzig! Aggressiv! Als sei die Kritik Majestätsbeleidigung. Von Neid- und Diffamierungskampagne ist die Rede, als ob es nicht gereicht hätte, die Zahlen und Fakten auf den Tisch zu legen. Die sprechen nämlich weitgehend für sich. Und der Übeltäter war auch schnell gefunden. Georg Milbradt - wer sonst? -, so lassen Biedenkopf-Getreue verlauten, habe der bösen Presse die Informationen gesteckt. Da wäre der ehemalige Finanzminister ganz schön blöd. Warum sollte er mit einem Dolchstoß das ramponierte Image des Ministerpräsidenten neu beleben? Da kommen viele in Frage, die König Kurt im Laufe der Jahre von oben herab abgekanzelt und in Ungnade fallen lassen hat. Biedenkopf wird an der Elbe kein Watergate erleben - vielleicht aber sein zweites Waterloo.
Ein schönes Wochenende Ihr Dirk Birgel