Sächsische Zeitung, 08.05.2001
PDS: Miet-Gutachten taugt nur für den Papierkorb
Untersuchungs-Ausschuss nur im Notfall
DRESDEN. Wie groß sind eigentlich die Räume, die Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) in der Schevenstraße bewohnt? Auch nach mehreren Gutachten und einem ausführlichen Bericht von Staatskanzlei-Chef Georg Brüggen herrschte darüber gestern in Dresden keine Klarheit. Laut Mietvertrag ist die Sache eigentlich ganz einfach: 155,4 Quadratmeter.
Doch die von der Staatskanzlei beauftragten Gutachter Hans-Dieter Freudenberg und Peter Jäpel rechneten genau nach: Vorraum, Flur, 2 Bäder, 2 Schlafzimmer, Ankleidezimmer, Arbeitszimmer, Turmzimmer und Terrasse, insgesamt 216 Quadratmeter nutzt das Ehepaar Biedenkopf.
Dann aber kamen Zweifel, und Zimmer für Zimmer reduzierte sich die Wohnfläche wieder. Das Turmzimmer (30 Quadratmeter) etwa sei "nur als vermieteter Dachboden" anzusehen. Wie aber konnten die Biedenkopfs es zulassen, dort die alte, gebrechliche Mutter von Frau Biedenkopf jahrelang wohnen zu lassen?
Der Vorraum (23 Quadratmeter) sei "nicht als Wohnfläche anzusetzen", so die Gutachter. Biedenkopf hat dort einen Teil seiner Bibliothek untergebracht. Ein Vorraum gehöre nun einmal nicht zur Wohnung, so Freudenberg. Und das Arbeitszimmer (31 Quadratmeter) werde sowieso überwiegend zu dienstlichen Zwecken genutzt, so Regierungssprecher Michael Sagurna. Bleiben also lediglich 130,29 Quadratmeter.
"Diese Rechnung ist nicht nachvollziehbar", sagte gestern der PDS-Politiker Ronald Weckesser. Auch er habe ein Arbeitszimmer, in dem er häufig berufliche Dinge erledige. Die Gutachter aber blieben jede Begründung schuldig, warum beim Ministerpräsidenten ein anderer Maßstab gelte: "Das Gutachten ist völlig unbrauchbar und taugt nur für den Papierkorb", sagte Weckesser. Und die Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski ergänzte, es sei doch sehr merkwürdig, warum ein "Top-Jurist" wie Georg Brüggen es akzeptiert und der Öffentlichkeit vorgestellt habe.
Freudenberg verwahrt sich gegen Vorwürfe
Gegenüber der SZ verwahrte sich Gutachter Hans-Dieter Freudenberg gegen den Vorwurf, ein Gefälligkeitsgutachten erstellt zu haben. Er sei ohne Ansehen der Person zu seinem Urteil gekommen. Auch sei es gar nicht so positiv für Biedenkopf, wie in der Presse behauptet. Schließlich habe er bei Neuvermietung einen Mietpreis von 13 Mark empfohlen.
Doch auch das ist den PDS-Politikern zu wenig. Schließlich müsse die Marktsituation von 1997 zu Grunde gelegt werden, als der Ministerpräsident einen Nutzungsvertrag mit dem Freistaat abgeschlossen hatte. Damals lag der Mietspiegel zwischen 13,50 und 18 Mark. Eigene Angaben zur Miethöhe wollten die PDS-Politiker nicht machen. "Da warten wir lieber den Rechnungshofbericht ab", so Weckesser. Und auch einen Untersuchungsausschuss wollen sie nur im "Notfall", wenn man auf parlamentarischem Weg nicht weiterkommt.
(Von Christian Striefler)