Dresdner Morgenpost, 09.05.2001
Notruf nach Freund Meyer
Kommentar von Stefan Rössel
DRESDEN. Als eine seiner Lebensregeln nennt Ministerpräsident Biedenkopf „Entscheidungen, die mich persönlich betreffen, treffe ich nicht selber." Das mag gelegentlich reicht weise sein, vor allem für einen Politiker. Aber es begründet keine Schuldunfähigkeit
Wie der Regierungschef den Ahnungslosen gibt, der für seine Wohnverhältnisse keinerlei Verantwortung trägt, ist schon verblüffend. Erschrecken kann man über die Art, wie er jede Frage nach Angemessenheit seiner Wohnverhältnisse von sich weist Hat er sich so weit von Otto Normalverbraucher entfernt? Ist das schon Realitätsverlust?
Biedenkopf beschwört die Anfangsjahre des Freistaats, als die so genannte Regierungskommune in der Dresdner Schevenstraße als Abenteuer wahrgenommen wurde. Das waren auch gewiss. Keiner konnte sichergehen, wohin es führen würde. Und das Gästehaus war ein Provisorium. Da hat Biedenkopf Recht.
Aber spätestens 1994 sah das schon völlig anders aus. Was aus einer Übergangsregelung für zwei Dutzend Leute entstanden war mit Koch, Kellnern, Putzfrau und Co., kann kein Gewohnheitsrecht für ein Ehepaar begründen.
Biedenkopf rühmt die zupackende Art seiner Frau in jenen Anfangsjahren. Wie sie zum Einkaufen in den Westen fuhr. Und wie sie bei Ministern das Essengeld eintrieb. Aber das kann doch nicht rechtfertigen, dass sie sich als Amtsperson aufspielt und das Haus ohne Richtlinien führt. Oder eine schwarze Kasse mit Haushaltsmitteln der Staatskanzlei führt.
Die Vorstellung als Unschuldsperson brachte Biedenkopf gestern nicht gerade überzeugend. Er fühlt sich wieder auf die Hilfe seines alten Freundes Günter Meyer angewiesen. Der aktuelle Staatskanzleichef Georg Brüggen hat ihn nicht rausgehauen. Ob Thomas de Maiziere es schafft, ist ungewiss.
(Stefan Rössel)