LVZ, 15.05.2001
Nachfolge um Kurt Biedenkopf
Ratlose Union
DRESDEN. Sachsens CDU steckt im Dilemma: Der Rückzug von Ministerpräsident Biedenkopf rückt immer näher, wird selbst für diesen Sommer nicht mehr ausgeschlossen. Doch bis heute weiß keiner eine Antwort auf die brennende Frage: Wie weiter im Freistaat? Weder wurde ein Verfahren für die Nachfolgeregelung bestimmt noch hat sich ein Thronerbe profilieren können.
Das hat Biedenkopf stets verhindert, zuletzt mit dem Rauswurf von Ex-Finanzminister Milbradt. Es ist dabei ein großes Versäumnis, dass ein Übergang nicht geregelt worden ist. Anders als in Thüringen, wo Bernhard Vogel seinen Spezi Dieter Althaus längst auf den Schild gehoben und auch als Landesvorsitzenden in der Partei durchgesetzt hat. Doch in Sachsen hat sich neben Biedenkopf nie ein Machtzentrum etablieren können. Partei- und Fraktionschef Fritz Hähle versäumt es völlig, die Fäden in die Hand zu nehmen. Und gute Berater in der Regierung, die Biedenkopf auf einen anderen Kurs bringen könnten, sind nicht (mehr) in Sicht.
In der verunsicherten Sachsen-Union herrscht Ratlosigkeit bis hin zur Verzweiflung. Wenn dieses Vakuum nicht schnellstens beseitigt wird, droht bald ein Kleinkrieg, der die CDU viele Wähler kosten könnte. Sie müsste schleunigst zwischen Partei, Fraktion und Ministerpräsident Einvernehmen über einen Nachfolger und dessen Antrittstermin erzielen. Auf lange Sicht halten die nervösen Christdemokraten diesen Zoff nicht aus. Wenn Biedenkopf jetzt sechs junge Minister unter 50 Jahren benennt, die als potenzielle Regenten in Betracht kommen, mag das demokratisch aussehen. Indem er jedoch den ambitionierten Milbradt aus dem Reigen ausschließt, trägt der 71-Jährige weder zur innerparteilichen Demokratie noch der Union bei.
(Sven Heitkamp)