Karl Nolle, MdL

Rücktritts-Debatte

 
DRESDEN. CDU-Chef Fritz Hähle hat Recht, wenn er in der denkwürdigen Sondersitzung des Landtages gestern eine Übermoralisierung des Politischen beklagt. Unbarmherzig erhobene Zeigefinger ließen keinem Opfer auch nur den geringsten Spielraum zur Vergebung.

Doch Ministerpräsident Kurt Biedenkopf selbst hat es versäumt, die Angst des Politikers vor dem Eingeständnis von Fehlern zu überwinden. Erst dadurch hat er sich völlig unglaubwürdig gemacht. Die Öffentlichkeit hat weit größeren Respekt vor Menschen, die auch zu ihren Schwächen stehen, als vor gottähnlichen Übermenschen. Es ist grotesk, wen Biedenkopf alles für seine Mietaffäre verantwortlich gemacht hat. Erst sollten es Beamte in den Ministerien gewesen sein, dann der bei ihm in Ungnade gefallene Georg Milbradt und gestern musste Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich als Sündenbock herhalten.

Unrecht hat Hähle jedoch mit dem Aufwiegen der Verdienste Biedenkopfs mit den Vorwürfen gegen ihn. Die Verdienste sind unbestritten und unbestreitbar. Aber sie in der aktuellen Affäre als Entschuldigung für mittlerweile von der Staatskanzlei eingeräumtes Fehlverhalten in die Waagschale zu werfen, ist eine Beleidigung von allen, die mit ähnlichem Engagement, aber ohne steuerliche Unsauberkeiten am Aufbau des Freistaates mitgearbeitet haben.

Unrecht hat auch PDS-Chef Peter Porsch. Er zog ins Lächerliche, was eigentlich sehr ernst genommen werden muss. Und für eine Generalabrechnung mit der aus PDS-Sicht seit elf Jahren verfehlten Biedenkopf-Politik hätte es keiner Sondersitzung bedurft.

Recht hat dagegen SPD-Fraktionschef Thomas Jurk. Längst ist noch nicht alles im chaotisch geführten Gästehaus aufgeklärt. Und hätte es nicht die Opposition und nachbohrende Medien gegeben, würde es die höfischen Zustände bis zu Biedenkopfs endgültigem Abtritt geben.

Die Krümel und Erbsen und Wurstscheiben müssen in aller Öffentlichkeit gezählt werden, weil die Staatskanzlei allein das Problem nicht bewältigt.
(Christian Striefler)