Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.2001
NOLLE: "Kurt Biedenkopfs eigene Worte"
Leserbrief zum Artikel von Peter Carstens vom 14.05.2001
Die herabsetzenden Bemerkungen von Peter Carstens (F.A.Z. vom 14. Mai) zu meiner Arbeit als oppositioneller Landtagsabgeordneter verwundern. In der Tat habe ich dazu beigetragen, die haarsträubenden Verhältnisse um Dienstwohnung, Personalnutzung und weitere Inanspruchnahme von materiellen Vorteilen durch den Ministerpräsidenten und seine Angehörigen aufzudecken. Mir geht es dabei nicht um die Frage, welcher Lebensstandard einem Ministerpräsidenten zusteht. Ich neide Kurt Biedenkopf nichts. Ich habe natürlich großen Respekt vor seinem Engagement und seinen unbestrittenen Erfolgen. Aber ich bestehe darauf, daß die Besoldung des Ministerpräsidenten transparent ist und den gesetzlichen Vorschriften entspricht, daß der Ministerpräsident dem Landtag als Haushaltsgesetzgeber Rechenschaft über seine Tätigkeit wie über seine Bezüge gibt und daß der Ministerpräsident alle ihm gewährten geldwerten Vorteile ordnungsgemäß versteuert, so wie von jedem Bürger eine korrekte Steuererklärung erwartet wird. Die Staatsregierung selbst hat erhebliche Mißstände festgestellt, nachdem sie anfangs glaubte, meine berechtigten Fragen als Diffamierungskampagne abtun zu können. Insofern übt Carstens' Beitrag eine Kritik, die inzwischen wohl sogar die Staatsregierung nicht mehr in dieser Form äußert und die offensichtlich hinter den Kern und die Ausgangspunkte seiner eigenen, bisherigen Artikel zu dem Thema zurückfällt.
Politisch ist Biedenkopf am Ende. Sachsens (auch finanzielle) Interessen kann er nicht mehr glaubwürdig vertreten. Der Freistaat stagniert angesichts zu vieler Probleme, die Arbeitslosigkeit hat seit 1990 zugenommen und nicht abgenommen. Dem Ministerpräsidenten fehlt der Rückhalt in seiner eigenen Partei. Immer wieder erhalte ich Post von CDU-Wählern , der letzten Landtagswahlen, die mich in meiner Kritik unterstützen. 58 Prozent aller Sachsen wünschen die konsequente Aufklärung der Vorgänge, 79 Prozent meinen, wenn die Vorwürfe stimmen, dann wäre dies unmoralisch und verwerflich, und bei 44 Prozent hat die Neigung, CDU zu wählen, abgenommen (repräsentative Meinungsumfrage vom 6. Mai). Angesichts dessen kann keine Opposition Biedenkopf - wie lange denn noch? - als unbestreitbaren Herrscher Sachsens behandeln. Sondern sie hat die Aufgabe, die er so am 13. Februar 2000 selber beschrieb: „Die Opposition ist notwendig, um die Regierung davon abzuhalten, unkontrolliert zu handeln - auch die Regierungsmehrheit im Parlament." Er meinte damals allerdings die CDU-Opposition nach der Kohl-Affäre, und er sagte weiter: „Es gibt die Erschütterung des politischen Vertrauens. Das ist nun mal auch das Wesen der repräsentativen Demokratie, daß auch die Moral repräsentiert wird."
Karl Nolle, MdL, Dresden