Hannoversche Allgemeine Zeitung, 12.05.2001
Treibjagd
Politische Öffentlichkeit reagiert aufgeregt
DRESDEN. Vor ein oder zwei Jahren hätte Kurt Biedenkopf die Vorwürfe, die um seinen Mietvertrag in Dresden ranken, mit Leichtigkeit aus der Welt schaffen können. Jedermann hätte sein Eingeständnis eines Fehlers akzeptiert und sich damit zufrieden gegeben. Doch heute, im Mai 2001, ist die Lage völlig verändert, die politische Öffentlichkeit reagiert aufgeregt und hektisch.
Die sächsische „Putzfrauenaffäre" ist nur deshalb eine Affäre, weil Biedenkopf schwer angeschlagen ist. Der Ministerpräsident, sein Stab und seine engsten Mitstreiter stehen enorm unter Druck, reagieren voreilig, machen Fehler, müssen Versäumnisse zugeben und lassen sich so von der Opposition immer weiter vor sich hertreiben. Das Ende ist bekannt, nimmt man etwa die gestürzten Ministerpräsidenten Josef Duchac (Thüringen), Werner Münch (Sachsen-Anhalt) und Gerhard Glogowski (Niedersachsen). In allen Fällen versagte das Krisenmanagement, und der Regierungschef nahm zum Schluss empört seinen Hut.
Biedenkopf hat selbst Schuld. Warum musste er Georg Milbradt, seinen fähigen Finanzminister, erst beleidigen und dann hinauswerfen? Warum lässt er es seit Jahren zu, dass ein überforderter Politiker wie Fritz Hähle die Schaltstellen von Fraktions- und Landesvorsitz in den Händen hält? Warum hört er auf seine Frau, die ihn im Amt halten möchte, statt auf all die kritischen Stimmen in den eigenen Reihen, die seit langem auf Signale für einen Generationswechsel warten?
„König Kurt" lautet sein Spitzname. Früher war das anerkennend für den weisen, weitblickenden Herrscher. Heute steht es für die Kehrseite, das absolutistische Rollenverständnis und die Unfähigkeit, neben sich andere Meinungen zu ertragen.
(KLAUS WALLBAUM)