Karl Nolle, MdL

Rundfunkinterview im WDR 5, MORGEN ECHO, 17.05.2001

Der "König von Sachsen" wackelt? Ist Biedenkopf nach der gestrigen Landtagsdebatte rehabilitiert ?

Wird er zu einer Last für die CDU? Interview mit Prof. Dr. Hans Vorländer ( Parteienforscher an der Universität Dresden)
 
Moderation: Achim Schmitz-Forte
Kurt Biedenkopf, der Ministerpräsident von Sachsen, muss sich zahlreicher Vorwürfe erwehren. Er soll zu wenig Miete für seine Dienstwohnung gezahlt haben. Er soll Dienstpersonal im Gästehaus der Staatsregierung unzulässig für private Zwecke eingespannt haben. Und außerdem hat er den Komfort der Privatjacht eines befreundeten Unternehmers genossen, was derzeit ebenfalls gegen ihn verwendet wird.
Die PDS hatte im sächsischen Landtag beantragt, Biedenkopf zum Rücktritt aufzufordern. Diesen Antrag hat die CDU-Mehrheit gestern zurückgewiesen. Aber: Was hat Biedenkopf nun damit gewonnen? - Prof. Hans Vorländer ist Politikwissenschaftler und Parteienforscher an der Universität Dresden. Herr Vorländer, guten Morgen.

Vorländer:
Guten Morgen.

Moderator:
Ist der Druck auf Biedenkopf seit gestern geringer?

Vorländer:
Nein, das glaube ich nicht. Der Landtag hat zwar dieses Begehren der PDS abgelehnt. Das war auch gar nicht anders zu erwarten angesichts der Mehrheitsverhältnisse. Aber der öffentliche Druck, vor allen Dingen der durch die Medien, hält ja an.

Moderator:
Worum geht es nun wirklich? Um die Vorwürfe gegen Biedenkopf oder geht es um die Nachfolge in der CDU?

Vorländer:
Es geht um die Nachfolge von Biedenkopf und es geht vor allen Dingen darum, dass er die Partei auch tatsächlich gespalten hat, als er den sehr erfolgreichen Finanzminister Milbradt entlassen hat. Und das hat doch für viel böses Blut gesorgt. Man hat das eigentlich so recht nicht verstehen können. Und auch jetzt bei Nachfragen will Biedenkopf ja über diese Causa Milbradt oder Causa Biedenkopf, die Auseinandersetzung zwischen den beiden, auch nicht weiter sprechen. Also von daher gibt es ein gewisses Vakuum. Und in diesem Zusammenhang muss man einfach auch sehen, dass er zu früh auch seinen Rücktritt angekündigt hat, und er hatte sein Haus nicht bestellt. Also Rücktritt, dass er aus dem Amt scheiden will im Jahre 2003, also vor der nächsten Landtagswahl.
Und das Haus war nicht bestellt, und Milbradt war derjenige gewesen, der durchaus sich selbst in der Nachfolge Biedenkopfs gesehen hat und wohl auch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt dann Ansprüche geltend gemacht hatte, was die Nachfolgeregelung anging und vor allen Dingen, was die zeitlichen und prozedualen Fragen anging. Und da wollte Biedenkopf wohl nicht mit sich reden lassen.

Moderator:
Kurt Biedenkopf hat einst Helmut Kohl vorgeworfen, Kohl habe den rechten Zeitpunkt für den Abschied von der Macht verpasst. Macht Kurt Biedenkopf jetzt denselben Fehler?

Vorländer:
Ja natürlich. Das ist ja das Grundproblem und das ist das, worunter er womöglich auch uneingestandenermaßen selbst leidet, dass er den rechten Zeitpunkt verpasst hat. Das war wie bei Kohl. Und deshalb kommt es jetzt genau zu diesem langen, langen Hinziehen. Er ist sozusagen nur noch der Autor und der Herrscher sozusagen über seinen eigenen Abgang. Aber es könnte durchaus sein, dass ihm das eben durch den Druck, der jetzt weiter entstehen wird und bestehen bleibt, auch aus den Händen genommen wird.

Moderator:
Aber, Herr Vorländer, was glauben Sie, wie geht es jetzt weiter? Biedenkopf will aus naheliegenden Gründen nicht zurücktreten, ein Nachfolger in der CDU bietet sich nicht an. Wird das jetzt eine Daueragonie?

Vorländer:
Das wird man abwarten müssen. Ich glaube, die CDU selbst, die Mehrheitsfraktion im Sächsischen Landtag, wird sich klar werden müssen, was sie eigentlich will und wird zum ersten Mal ohne Biedenkopf eigentlich beschließen müssen. Und das ist für die CDU hier in Sachsen auch ein Novum. Sie hat bisher immer im Schatten von Biedenkopf gestanden. Sie muss sich selbst, glaube ich, jetzt emanzipieren und muss ihren eigenen Weg gehen. Und das auch gegenüber Biedenkopf klarmachen.

Moderator:
Aber das kann natürlich bedeuten: endlose Machtkämpfe in der CDU.

Vorländer:
Das sieht fast so aus, ja. Aber Biedenkopf hat das natürlich auch gut nach dem Divide-et-impera-Prinzip gemacht. Er hat sechs potenzielle Nachfolger namentlich genannt aus seinem Kabinett heraus und hat damit sozusagen zu Diadochenkämpfen eingeladen. Aber ich bin mir auch gar nicht sicher, ob er tatsächlich daran denkt, dass einer von diesen sechs ihm nachfolgen könnte. Ich habe immer noch das Gefühl, dass er noch eine ganz andere Lösung sich vorstellen kann. Aber welche das ist, darüber lässt sich nur spekulieren.

Moderator:
Herr Vorländer, können Sie eigentlich irgendwo erkennen, dass die SPD, dass die Opposition wirklich profitiert von der Situation?

Vorländer:
Die SPD ist ja in Sachsen außerordentlich schwach. Sie hatte bei den Landtagswahlen 10,7 Prozent der Stimmen erreicht, ist damit eine kleine Partei. Ich glaube, dass sie davon so richtig nicht profitieren kann. Im Augenblick wird sozusagen der "Gott Biedenkopf", der "König" beschädigt, aber ob man dann bei einer Wahl im Jahre 2004 davon profitieren kann, das glaube ich, kann man jetzt noch nicht sagen.

Moderator:
Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf bleibt politisch unter Druck. Das war ein Gespräch mit Prof. Hans Vorländer, Parteienforscher an der Universität Dresden. - Herr Vorländer, vielen Dank.

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