Sächsische Zeitung, 26.05.2001
Prüfer rügen Gratis-Service und Billig-Miete für Biedenkopf
Am Freitag präsentierte der Sächsische Rechnungshof die Ergebnisse seiner Prüfung zum Gästehaus der Staatsregierung in der Schevenstraße. Resümee: Es ist alles noch viel schlimmer als bisher bekannt.
Seine Verdienste für Sachsen sind unbestritten: Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU). Um so mehr wurde in den vergangenen Wochen über den Schaden gestritten, den er dem Freistaat zugefügt haben könnte. Einmal sollen es 6 000 Mark gewesen sein, ein andermal über 30 000. Biedenkopf selbst sprach zuletzt von 70 000 Mark, die er nachzahlen wolle.
Was zunächst wie eine großzügige Geste anmutete, wirkt nun wie das Reichen des kleinen Fingers: Tatsächlich genoss der Regierungschef Leistungen in acht- bis zehnfacher Höhe, ohne dafür auch nur einen Pfennig gezahlt zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt der Landesrechnungshof in seinem Bericht an den Landtag. Präsident Hans-Günther Koehn vermied bei der Vorstellung allerdings die Nennung einer Gesamtsumme. Und schon jetzt steht fest, dass der Freistaat nicht das ganze Geld nachfordern wird. Die Einzelheiten:
Das Personal
Zurzeit sind sechs Mitarbeiter - darunter eine Halbtagskraft - im Gästehaus tätig. Sie sorgen unter anderem für Speis und Trank, saubere Zimmer und eine intakte Heizung. Dabei wird grundsätzlich nicht unterschieden, ob die Leistungen für dienstliche oder private Zwecke erfolgt. Für das Jahr 1999 hat der Rechnungshof ganze drei dienstliche Anlässe registriert, weitere zwei Einsätze erfolgten bei auswärtigen Veranstaltungen. Die Staatskanzlei vertritt den Standpunkt, dass eine Trennung von privater Lebensführung und Dienstgeschäft nicht möglich sei. Außerdem beruft sie sich auf den Mietvertrag und die bisher nicht beanstandete Praxis.
Der Rechnungshof lässt das alles nicht gelten: "Für die Gestellung von Personal zu privaten Zwecken, das aus öffentlichen Mitteln bezahlt wird, gab und gibt es keine rechtliche Grundlage." Deshalb müssten die in Anspruch genommenen Leistungen nachträglich bezahlt werden - und zwar nicht nur im Sinne der Versteuerung eines geldwerten Vorteils, was den Betrag unterm Strich etwa halbieren würde. Allein für das Jahr 2000 käme damit auf Biedenkopf eine Nachforderung 80 000 bis 100 000 Mark zu. Doch so weit will der Rechnungshof nicht gehen: Es sollten auch "Billigkeitsgesichtspunkte" berücksichtigt werden, schließlich habe die Staatskanzlei bislang keinerlei derartige Ansprüche geltend gemacht. An die Adresse des Finanzministeriums geht die Kritik, es hätte das "erhebliche jährliche Defizit" im Zusammenhang mit dem Gästehaus nicht als gegeben hinnehmen dürfen. Für die Zukunft fordert Koehn ein Raumnutzungskonzept und klare Regelungen: "Wo die Trennung faktisch einmal Schwierigkeiten bereiten sollte, ist sie rechnerisch allemal möglich."
Einsätze am Chiemsee
Die Abordnung von Mitarbeitern des Gästehauses zum Wohnhaus der Biedenkopfs am Chiemsee ist seit Jahren gang und gäbe. Die Staatskanzlei hatte das mit dienstlichen Terminen begründet, später räumte sie auch private Dienstleistungen ein. Nach nochmaliger Befragung des Personals sieht die Sache jetzt so aus: Von 1995 bis 1999 weilten von der Staatskanzlei bezahlte Mitarbeiter an 231 Tagen am Chiemsee - und nur für ganze elf Tage gab es eine dienstliche Begründung. Insgesamt dürfte der Ministerpräsident damit Leistungen im Umfang von rund 50 000 Mark auf Kosten des Freistaates in Anspruch genommen haben.
Die Staatskanzlei will das so nicht gelten lassen: Tatsächlich sollen am Chiemsee "deutlich mehr" dienstliche Termine stattgefunden haben, als durch Kalendereinträge und Mitarbeiterbefragungen belegbar sind. Außerdem weist man darauf hin, dass der Ministerpräsident die Einliegerwohnung in seinem bayerischen Anwesen unentgeltlich für das Wachpersonal zur Verfügung stelle. Ein Gutachten soll nun Wohnungsgröße und -wert ermitteln - vermutlich um demnächst die Gegenrechnung zu präsentieren.
Amtswohnung Schevenstraße
Für die Wohnung im Gästehaus Schevenstraße zahlt Kurt Biedenkopf nach Ansicht des Rechnungshofes ein "unangemessen niedriges Entgelt." Und zwar aus mehreren Gründen: So hätte bei der Ermittlung der Wohnfläche von 155 Quadratmetern das Arbeitszimmer (30 Quadratmeter) mit berücksichtigt werden müssen - immerhin verfüge er bereits über ein dienstliches Arbeitszimmer am Dienstsitz. Außerdem seien der Mietpreis (8,15 Mark pro Quadratmeter) und die Betriebskostenpauschale (3,80 Mark pro Quadratmeter) zu niedrig angesetzt. Auch der Preis für die Überlassung der Gemeinschaftseinrichtungen müsse noch geklärt werden. Allein wegen der zu niedrigen Kaltmiete und ohne Berücksichtigung des Arbeitszimmers seien dem Freistaat seit Mitte 1997 rund 32 000 Mark entgangen. Dieses Geld darf nicht mehr eingefordert werden. Allerdings, so Koehn, sollte durch Nachverhandlungen eine Änderung des Vertrages angestrebt werden.
(Von Steffen Klameth)