Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 23.05.2001

Verbrannte Erde

Wie Kurt Biedenkopf mit der sächsischen CDU spielt
 
Das Gespräch liegt lange zurück. Vor Jahren, erzählt der sächsische CDU-Landtagsabgeordnete, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, vor Jahren habe ihm einmal ein Kollege aus Nordrhein Westfalen gesagt: „Wartet es ab. Der Biedenkopf hinterlässt auch bei euch verbrannte Erde." Kein Wort habe er ihm damals geglaubt, sagt der Abgeordnete. „Verbrannte Erde? Was für ein Unsinn."

Heute würde er dem Kollegen aus Nordrhein-Westfalen Recht geben. Verbrannte Erde ist zur Zeit ein häufig gebrauchter Ausdruck, "wenn es darum geht, zu beschreiben, was in der sächsischen CDU los ist, seit jenem Wintertag vor bald fünf Monaten, als Kurt Biedenkopf seinen besten Mann rauswarf In den Augen der meisten Christdemokraten gab es keinen Geeigneteren für die Nachfolge Biedenkopfs als Finanzminister Georg Milbradt. Doch der wagte es, Gedanken über die Zeit nach dem Übervater anzustellen und wurde umgehend bestraft.

Als dann auch noch der SPD-Abgeordnete Karl Nolle mit kleinen Anfragen im Landtag Affären um Mieten, die ungerechtfertigte Nutzung von Dienstwagen und die Begünstigung von Verwandten los trat und die Staatskanzlei einen Bericht vorlegte, der wie ein Brandbeschleuniger wirkte - da geriet die heile Biedenkopf-Welt aus den Fugen. Die Affären und der selbst verschuldete Krach in der CDU vermischten sich zu einem nicht mehr endenden Strom aus Ärgernissen. Ende dieser Woche geht es weiter. Dann wird der Rechnungshof seinen Bericht über die Mietverhältnisse des Ministerpräsidenten präsentieren. Wie ein Löwe, so wird glaubhaft erzählt, soll Biedenkopf um jeden Einzelpunkt gerungen haben, als ihm die Prüfungsergebnisse zur Stellungnahme vorgelegt wurden.

Um vom tiefen Zerwürfnis innerhalb der CDU abzulenken, erfand Biedenkopf zwischenzeitlich die „U 50". Damit sind sechs Kabinettsmitglieder unter 50 Jahren gemeint, aus denen Biedenkopf angeblich seinen Nachfolger küren will. Biedenkopf tue eben alles, um Milbradt Steine in den Weg zu legen, sagt ein Christdemokrat. Milbradt reist derweil durchs Land, besucht einen Kommunalwahlkampftermin nach dem anderen und bereitet sich auf den CDU-Landesparteitag im September vor. Dann soll ein neuer Vorsitzender gewählt werden, der die besten Karten haben dürfte, wenn es um die Kandidatur bei der Landtagswahl 2004 geht.

Doch die „U 50" oder „Jugendbrigade", wie gespottet wird, ist ein sehr zerbrechliches Gebilde, offensichtlich einzig dazu geschaffen, die Fantasie von CDU-Mitgliedern und Journalisten in eine andere Richtung zu lenken. Zur „U 50" gehören beispielsweise Finanzminister Thomas de Maiziere, Justizminister Manfred Kolbe und Staatskanzleichef Georg Brüggen. Alle drei, sind Westdeutsche und scheiden damit automatisch aus dem Nachfolgerennern aus. Diesmal solle es ein richtiger Sachse sein (was immer das ist), hat zumindest Parteichef Fritz Hähle schon vor Monaten gefordert.

Da waren es nur noch drei. Kultusminister Matthias Rößler, Umweltminister Steffen Flath und Europaminister Stanislaw Tillich. Rößler, für dessen Ehrgeiz in der CDU-Fraktion gern Adjektive wie enorm oder übersteigert verwendet werden, hat schon seine Erfahrungen mit Biedenkopf gemacht. Als Rößler im Winter Fraktionsvorsitzender werden wollte `lind glaubte, genügend Stimmen auf seiner Seite zu haben, trickste Biedenkopf ihn elegant aus. Chancengleichheit verlangte der schlaue Professor - Rößler müsse zuerst sein Ministeramt niederlegen, wenn er gegen Hähle antreten wolle. Rößler kniff, das war es dann. Seitdem ist er in der Fraktion endgültig unten durch.

Kürzlich wurde sein Name wieder genannt: Die „U 50"-Runde habe Rößler ausgeguckt für den Parteivorsitz. Kaum war das Gerücht - wahrscheinlich von der Staatskanzlei - gestreut, dementierte Rößler wachsweich. „Nun ist Rößler endgültig blamiert. Hinterrücks aufgestellt, danach per Indiskretion abgewatscht", sagt ein Abgeordneter.

Da waren es nur noch zwei. Tillich, der Europa-, und Flath, der Umweltminister. Ersterer, ein katholischer Sorbe, hat nicht genügend Rückhalt in der Partei. Und Flath ist ein zögerlicher und vorsichtiger Mann.

Wie überhaupt einer der genannten Minister im Herbst Parteivorsitzender werden soll, bleibt ein Rätsel. Denn Biedenkopf hatte es im Frühjahr ausdrücklich verboten: Er wünsche nicht, dass ein Mitglied des Kabinetts den Posten bekomme. Das, so das Argument, würde die Macht des Ministerpräsidenten untergraben.

Wie es weitergehen soll in der sächsischen CDU, keiner weiß es. Die Partei, die davon träumte, eine Bastion in Sachsen zu werden, wie es die CSU in Bayern ist, sie wirke wie „erstarrt", beschrieb es ein Abgeordneter. Milbradt wirke ratlos, reise aber tapfer durchs Land und bereite sich auf den Landesparteitag vor. Die „Jugendbrigade" lasse sich von Biedenkopfs Staatskanzlei an der Nase herumführen. Und Biedenkopf selbst sehe dem chaotischen Treiben schweigend zu, vermutlich in der Hoffnung, dass eine Menge Gras über den unerquicklichen Ereignissen der vergangenen Monate wachse. Eine Verständigung mit Milbradt, so wird in Dresden erzählt, ein Versuch, die Scherben zu kitten, das lasse Biedenkopfs Stolz nicht zu. Lieber verbrannte Erde.
(Von Bernhard Honnigfort,Dresden)

Karl Nolle im Webseitentest
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