DNN, 07.06.2001
Zu spät
Kommentar von Jürgen Kochinke
DRESDEN. Befreiungsschläge machen nur dann Sinn, wenn man sie zur rechten Zeit platziert. Ges-tern versuchte sich Biedenkopf in dieser Übung - und kam zu spät. Denn die Ein-sicht, dem Gäste-haus besser den Rücken zu kehren, ist seit Wochen überfällig - eigentlich seit Jahren; jetzt erscheint sie wie das Schuldeingeständnis eines längst Er-tappten.
Entsprechend hilflos wirkt der ganze Akt. Vor allem aber verfehlt er sein Hauptziel, Druck vom Angeschlagenen zu nehmen. Aus zwei Gründen: Erstens kann keine Flucht nach vorn Verfehlungen der Vergangenheit heilen. Die Nachforderungen des Rechnungshofs stehen wie ein Makel so lange im Raum, wie Biedenkopf sich weigert, für den Rundumservice in der Schevenstraße zu zahlen. Zum Zweiten aber bleibt das Wichtigste ungelöst: die Zukunft von Biedenkopf als Ministerpräsident samt tragfähiger Nachfolgeregelung. So lange diese Frage nicht geklärt ist, wird der Regierungschef keine Ruhe bekommen. Er und „seine" CDU erscheinen weiter wie Getriebene, gefangen zwischen Trotz und später Einsicht. Das aber ist das Gegenteil von Befreiung.
(Jürgen Kochinke)
