Sächsische Zeitung, 20.06.2001
Hähle: Minister kann Parteichef werden
CDU-Vorsitzender kritisiert Rechnungshof wegen Nachforderungen
DRESDEN. Entgegen den bisherigen Vorgaben von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) könnte im Herbst auch ein sächsisches Regierungsmitglied neuer CDU-Landesvorsitzender werden, ohne dafür im Gegenzug seinen Ministerposten aufgeben zu müssen.
Der amtierende CDU-Landeschef und Fraktionsvorsitzende, Fritz Hähle, sagte gestern, er halte es für "vorstellbar", dass Biedenkopf künftig eine entsprechende Personalkonstellation akzeptieren würde. In dem Fall müsse er sich jedoch noch vor dem Landesparteitag am 15. September äußern, auf dem ein neuer Parteichef gewählt werden soll.
Erst vor wenigen Monaten hatte Biedenkopf darauf bestanden, dass das entsprechende Mitglied seines Kabinetts im Fall einer Kandidatur für den CDU-Fraktions- oder den Parteivorsitz zurücktritt. Aus diesem Grund hatte vor allem Kultusminister Matthias Rößler (CDU) auf eine Bewerbung für den Fraktionsvorsitz im Landtag verzichtet. Vor seiner Entlassung aus dem Kabinett war dadurch auch dem ehemaligen Finanzminister Georg Milbradt eine Kandidatur als CDU-Landeschef unmöglich gemacht worden. Beobachter gehen davon aus, dass ein Wegfall der umstrittenen Regelung vor allem Agrar- und Umweltminister Steffen Flath nutzen könnte, der zurzeit als ein möglicher Kandidat für den Parteivorsitz im Gespräch ist.
Kurz vor der heutigen Sitzung des Landtages griff Hähle den Präsidenten des Rechnungshofes, Hans-Günther Koehn, scharf an. Dessen Aufforderung an Biedenkopf, mindestens 300 000 Mark für Personaldienstleistungen im Regierungsgästehaus nachzuzahlen, sei in keiner Weise nachvollziehbar. Die von Biedenkopf bereits zurückerstatteten 123 000 Mark würden nach Auffassung der CDU-Fraktion alle Verbindlichkeiten abdecken. Hähle warf Koehn vor, "andere Zahlen in die Welt zu setzen", die vom Prüfbericht des Rechnungshofes in keiner Weise gedeckt seien.
Hähle verwies zudem auf ein Gutachten des juristischen Dienstes des Landtages. Demnach sei eine Ausweitung des Paunsdorf-Untersuchungsausschusses verfassungswidrig. Die PDS-Fraktion strebt dagegen an, dass der Ausschuss nicht nur den Einfluss Biedenkopfs auf die Vermietung des Behördenzentrums Leipzig-Paunsdorf, sondern auch für ein Projekt in Grimma untersucht. Über einen entsprechenden Antrag wird das Parlament heute entscheiden.
(SZ/Saft)