DNN, 25.05.2001
Stunde der Wahrheit
Zur Mietaffäre legt Rechnungshof heute Prüfbericht vor / Ex-Justizminister Heitmann kritisiert Biedenkopf
DRESDEN. Rechnungshöfe können Politikern das Regieren verhageln. Wer nach Ansicht der obersten Finanzkontrolleure nicht sparsam wirtschaftet, hat ein Problem. Heute stellt der Hof seinen Prüfbericht zur Haushaltsführung der sächsischen Staatskanzlei vor - Billigmiete im Gästehaus, Koch und Gärtner inklusive. Das Prekäre daran ist, dass die Behörde bereits 1994 Besserung angemahnt hatte, geschehen ist bis heute nichts. Ungemach mit Neuigkeitswert dürfte Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) dennoch kaum drohen, die meisten Kritikpunkte sind bekannt und teilweise eingeräumt. Schließlich hat der Regierungschef angekündigt, er wolle eventuell bis zu 70 000 Mark zurückzahlen. Der Bericht werde im Internet unter www.sachsen.de/de/bf/verwaltung/rechnungshof veröffentlicht, hieß es.
In der Kritik steht Biedenkopf aber weiter, nicht zuletzt aus den eigenen Reihen. Das Debakel an der Debatte um die Schevenstraße, meint Ex-Justizminister Steffen Heitmann (CDU), sei das vom Gästehaus ausgehende Signal. Trotz aller Verdienste in den Aufbaujahren habe der Regierungschef verkannt, dass in Sachsen „bundesdeutsche Normalität eingekehrt" sei. Biedenkopf aber lebe weiter „wie ein Gast" im eigenen Lande. Das beleuchtet das eigentliche Problem des Ministerpräsidenten. In Ruhe wollte er seine Nachfolge bis 2003/04 regeln, doch mancher in der Partei sah das anders. Vor allem Ex-Finanzminister Georg Milbradt (CDU) mochte nicht warten. Seit dem Rausschmiss des Ministers geht personalpolitisch ein Riss durch die gesamte Sachsen-Union.
Diese Kluft hat Biedenkopf vertieft durch seinen Versuch, einer aus dem jungen Kollektiv der „U50" - Minister solle das CDU-Machtvakuum schließen. Das ärgert Spitzenfraktionäre wie Klaus Leroff besonders. Die Entscheidung über den Kandidaten, meint der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, werde eben nicht in kleinen Regierungszirkeln getroffen. Bestes Beispiel sei die vermeintliche Kür von Kultusminister Matthias Rößler von den „U50". Das sei keine Lösung, sondern „nur ein Gerücht".
Genau das ist die Zwickmühle für Biedenkopf und die CDU: Ein potenter Nachfolger ist derzeit nicht in Sicht. Denn dieser müsste zweierlei beherrschen. Er muss zugkräftig sein und Wahlen gewinnen können; und er muss die Partei einen - eine Quadratur des Kreises. Das macht den möglichen Kandidaten das Leben schwer. Rößler, heißt es in Dresden, sei zwar ein potenzieller Champion, könne aber nicht vermitteln. Ähnliches gelte für Finanzminister Thomas de Maiziére, der keine Hausmacht in der Partei besitze. Bleiben die Ressortchefs Stanislaw Tillich (Europa) sowie Steffen Flath (Umwelt und Landwirtschaft).
Vor allem Letzterer gilt als heimlicher Favorit. Er müsste nur noch wollen und auch antreten - gegen einen Kandidaten, der Milbradt heißen dürfte.
(Jürgen Kochinke)