Sächsische Zeitung, 01.09.2001
Ein Sieg mit Pferdefuß
Georg Milbradt ist bei den Sachsen beliebter als sein Konkurrent Steffen Flath, aber als Regierungschef wünscht ihn auch nur jeder Vierte
Offiziell wird in zwei Wochen in Glauchau nur über den CDU-Vorsitz entschieden: Steffen Flath oder Georg Milbradt. Da aber der Sieger dieser Wahl als Chancenreichster in das große Rennen um die Biedenkopf-Nachfolge geht, ist der Parteitag weit mehr als eine reine CDU-Angelegenheit.
Der sächsische fast ausschließlich parteilose Wähler würde den von Kurt Biedenkopf gefeuerten einstigen Finanzminister Milbradt als Parteichef und als Ministerpräsident bevorzugen. Das belegt die von der Sächsischen Zeitung in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage. Der 56-jährige Milbradt, ehemals Kämmerer in Münster, bekommt doppelt so viel Sachsen-Stimmen wie der 44-jährige Flath, ein gebürtiger Erzgebirgler. Der Pferdefuß des Umfrage-Sieges: Nur jeder vierte Sachse wünscht sich Milbradt als Biedenkopf-Nachfolger.
Die Zeit nach Biedenkopf wird also schwer für die CDU. Lediglich ein gutes Drittel der Sachsen steht hinter den zwei möglichen Biedenkopf-Nachfolgern. Viel mehr - 43 Prozent nämlich - wollen ausdrücklich weder Milbradt noch Flath als nächsten Regierungschef, und weitere 21 Prozent drücken sich um eine Antwort. Zusammen: Zwei von drei Sachsen sehen sich gegenwärtig außerstande, für einen der Beiden zu votieren. Kurt Biedenkopf dagegen hatte in dieser Vertrauensfrage selbst in schlechten Zeiten wie zuletzt mindestens zwei Drittel der Sachsen hinter sich. Gegenwärtig aber hat selbst jeder zweite CDU-Wähler mit Milbradt und Flath als möglichen neuen Ministerpräsidenten nichts im Sinn. Und was den künftigen Parteivorsitzenden betrifft, so gibt sich mit 43 Prozent fast jeder zweite Sachse gleichgültig, desinteressiert, auf jeden Fall nicht aussagefähig.
Milbradts deutlicher Sympathievorsprung überrascht nicht. Seine Finanzpolitik, die Sachsen die mit Abstand niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung im Osten bescherte, wird von vielen anerkannt. Außerdem ist der 56-Jährige nach zehn Regierungsjahren viel bekannter als Konkurrent Flath, der lange in der zweiten Reihe stand. Den größten Vorsprung vor Flath hat Milbradt bei Besserverdienenden, Angestellten und Beamten sowie Wählern mit Abitur/Hochschulabschluss.
Weiter fällt auf: Flath ist bei den Frauen deutlich beliebter als bei den Männern. Nur magere neun Prozent der Herren, aber 14 Prozent der Damen votieren für Flath als Biedenkopf-Nachfolger. Dagegen schneidet Georg Milbradt bei Männern etwas besser ab als bei Frauen. Relativ schlechte Karten hat Milbradt bei den jungen Sachsen bis 29 Jahre. Nur 31 Prozent (Durchschnitt 38) sehen in ihm einen geeigneten CDU-Chef, nur 15 Prozent (Durchschnitt 25) wünschen Milbradt als Biedenkopf-Nachfolger.
Würde jetzt der Landtag gewählt, hätte die CDU erneut eine dicke absolute Mehrheit und ihre meisten Wähler bei den 18- bis 29-Jährigen (53 Prozent), die wenigsten bei den über 50-Jährigen (46 Prozent). Auch die PDS hat mit 22 Prozent ihren höchsten Anteil bei den Jüngeren, während die SPD bei den bis 29-Jährigen nur auf 14 Prozent, bei Wählern über 50 aber auf 29 Prozent kommt. Aus der Reihe tanzt der Regierungsbezirk Leipzig: CDU 41, SPD 27 und PDS 21 Prozent. Würde dort eine Regierung gebildet, müssten die Christdemokraten koalieren oder Rot-Rot würde regieren.
Von Jörg Marschner