mdr-info-online, 06.12.2001
SPD fordert Biedenkopfs Rücktritt
Jurk: "Wer das Parlament belügt, kann nicht Ministerpräsident bleiben"
Die sächsische SPD-Landtagsfraktion hat Ministerpräsident Biedenkopf (CDU) zum Rücktritt aufgefordert. "Wer einen Untersuchungsausschuss und damit das Parlament belügt, kann nicht länger Ministerpräsident bleiben", sagte Fraktionschef Jurk. Dass Biedenkopf vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zum Leipziger Paunsdorf-Center gelogen habe, sei jetzt erwiesen.
Briefe sollen alles beweisen
Die SPD stützt sich auf einen Brief des Kölner Bauunternehmers Barth an seinen Freund Biedenkopf, der vergangene Woche aufgetaucht war. Dieser zeige, dass es doch Absprachen über die Anmietung des Behördenzentrums durch das Land gegeben habe. Biedenkopf hatte in der Ausschuss-Sitzung am 26. Februar erklärt, es sei ausgeschlossen, dass Barth Konditionen diktierte.
Das bekräftigte die Staatskanzlei auch jetzt: "Der Ministerpräsident hat den Untersuchungsausschuss nicht belogen. Er wird keinesfalls zurücktreten", sagte Vize-Regierungssprecher Häckel. Auch CDU-Fraktionschef Hähle wies die Rücktrittsforderung zurück. Sie sei "unglaublich dreist". Die bisherige Zeugenvernehmung habe ergeben, dass dem Land durch den Einsatz des Ministerpräsidenten kein Schaden entstanden sei.
Der Obmann der SPD in dem Untersuchungsausschuss, Nolle, erklärte jedoch gegenüber MDR ONLINE, er selbst habe den Regierungschef damals nach möglichen Absprachen mit Barth gefragt. Biedenkopf habe geantwortet: "Nein, das ist ausgeschlossen." In dem nun aufgetauchten Brief vom 29. Juni 1993 habe Barth seine Bedingungen aber formuliert und Biedenkopf sie in einem Schreiben an das Finanzministerium vom 1. Juli 1993 weitergereicht. Dies sei der Beleg, dass er sich die Bedingungen habe diktieren lassen. Das erste Schreiben habe in den Unterlagen gefehlt, die von der Regierung dem Ausschuss übermittelt worden seien.
SPD: Untreue im Wert von 30 Millionen Mark
Unter Berufung auf die Briefe erhob Nolle nun auch den Vorwurf der Untreue gegen den Regierungschef. Er sagte, Barth habe in seinem Schreiben formuliert, die Mietdauer "soll" 25 Jahre betragen. An das Finanzministerium habe Biedenkopf aber geschrieben: Die Mietdauer "beträgt" 25 Jahre.
Darüber hinaus habe Barth dem Land ein Ankaufsrecht für das Behördenzentrum nach 15 Jahren einräumen wollen. Grundlage sollte die dann übliche Jahresmiete sein. Barth habe den Preis mit "mindestens 13-fach" angegeben, sagte Nolle. Auf Biedenkopfs Betreiben aber sei das 15-fache der Jahresmiete eingeräumt worden. Mit der aktuellen Jahresmiete von 15,8 Millionen Mark summierte Nolle den daraus entstandenen Vermögensschaden auf 30 Millionen Mark.
PDS: "Guten Morgen SPD"
Die PDS begrüßte die Forderung der Sozialdemokraten: "Guten Morgen, SPD! Nach sieben Monaten endlich aufgewacht / Nun ist die Landtags-Opposition endlich einig." PDS-Fraktionschef Porsch erinnerte daran, dass seine Partei schon im Frühjahr den Ministerpräsidenten zum Rücktritt habe drängen wollen, die SPD sich dem aber nicht anschloss.
Nolle erwiderte darauf, dass vielmehr die PDS noch immer schlafe, denn jetzt seien die Vorwürfe gegen Biedenkopf erst bestätigt und bewiesen.
LINK: mdr-online Chronik der Vorwürfe gegen Kurt Biedenkopf und seine Frau: