Süddeutsche Zeitung, 10.12.2001
Ein Freund, ein guter Freund
Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf wehrt sich gegen den Eindruck, Befehlsempfänger eines Investors zu sein
Die Freundschaft zwischen Ministerpräsident und Bauunternehmer ist kein Geheimnis. Kurt Biedenkopf selbst hat sich einige Mühe gegeben, die Tiefe seiner Beziehung zu Heinz Barth aus Köln darzustellen. So dankte Biedenkopf beim Festakt zu seinem 70. Geburtstag Anfang 2000 Barth ausdrücklich, dass er ihm zur Seite gestanden und sich wirtschaftlich in Sachsen engagiert habe. In seinem Tagebuch der Wendezeit vermerkte der sächsische Regierungschef, dass Barth ihn in seinem Learjet habe mitfliegen lassen. Über den nagelneuen Flieger habe sich „Heinz gefreut wie ich mich über meine Eisenbahn freuen kann“, notierte der passionierte Modellbahner Biedenkopf.
Der Bauunternehmer Barth hat in Paunsdorf bei Leipzig unter anderem ein Behördenzentrum gebaut. Um die Verträge dafür hat sich sein Freund Biedenkopf so intensiv gekümmert, dass die Opposition von einer unzulässigen Einflussnahme spricht, die den Freistaat Millionen gekostet habe. E in Untersuchungsausschuss geht dem Verdacht der „Amigo“-Wirtschaft nach.
Biedenkopf versicherte vor dem Ausschuss, dass er zu Barth „keine Geschäftsbeziehungen“ habe. Doch gibt es Hinweise auf strategische Absprachen der Freunde – so in einem Schreiben Barths an den „lieben Kurt-Hans“. Als es verfasst wurde, war Biedenkopf wenige Wochen Ministerpräsident in Dresden. Es beginnt mit dem Wunsch: „Entgegen der gestern besprochenen Strategie, daß Du nur für zwei Objekte im Moment tätig werden kannst, muß ich Dich leider bitten, noch für einige andere Dinge Deinen Einfluß geltend zu machen.“
In dem Schreiben bezog sich Barth auf ein Vorhaben in Paunsdorf, wobei aber nicht das Behördenzentrum gemeint war, sondern ein Einkaufszentrum. Die Baugenehmigung dafür hatte die Stadt an die Auflage gekoppelt, weitere Gewerbeflächen zu errichten. Um diese Auflage zu erfüllen, entstand das Behördenzentrum. Die Erwartungen Barths offenbaren auch die letzten Zeilen. Ein italienischer Freund wolle alle Kinos in Leipzig und Dresden kaufen, erinnerte Barth den Politiker: „Hast Du hier schon etwas unternommen?“
Im Fall Paunsdorf lässt sich nach fast einem Jahr Ausschusstätigkeit nachzeichnen, wie Biedenkopf sich einsetzte. Vor allem Barths Briefe bringen ihn nun in Bedrängnis. Schon im Frühjahr 1993 engagierte sich – so geht es aus den Unterlagen hervor – Biedenkopfs persönlicher Referent. Er regte beim Liegenschaftsamt in Leipzig die Unterbringung von Behörden in Paunsdorf an. Am 1.Juli 1993 verfasste Biedenkopf einen Vermerk an den Finanzminister, in dem er Behörden aufführte, die untergebracht werden sollten; dazu nannte er die Miethöhe und weitere Konditionen. Bis vor kurzem wusste niemand, dass ihm sein Freund Barth zwei Tage zuvor diese Konditionen in einem Brief mitgeteilt hatte. Die nahezu wortgleiche Übernahme von Barths Schreiben durch den Regierungschef bedeutet für die Opposition, dass er „sich die Konditionen diktieren ließ“. Biedenkopf hatte vor dem Ausschuss verneint, dass sein Vermerk von Barth konzipiert worden sei.
Mit jenem Vermerk endete das Engagement nicht. Als sich weitere Abschlüsse verzögerten, bestellte der Regierungschef den zuständigen Abteilungsleiter des Finanzministeriums zu sich. Biedenkopf habe einen Bericht verlangt, weshalb für die Landespolizeidirektion Leipzig und das Mobile Einsatz-Kommando noch keine Mietverträge abgeschlossen seien, erklärte der Beamte im Ausschuss. Der Ministerpräsident habe ihm deutlich gemacht, dass er einen schnellen Abschluss wünsche. Als er darauf hingewiesen habe, dass es bei Behörden Widerstände gegen ihre Ansiedlung in Paunsdorf gebe, habe der Ministerpräsident seine Unterstützung angeboten. Er wolle sich, falls nötig, „persönlich an die entsprechenden Ressortminister wenden“. Kurz darauf seien weitere Mietverträge geschlossen worden.
Auch diese Intervention hatte Biedenkopf im Ausschuss nicht erwähnt, sondern erklärt, dass er sich „über den Abschluss weiterer Verträge nicht mehr unterrichtet habe“. Die Opposition sieht nun nicht nur Widersprüche, sondern spricht von Lügen des Ministerpräsidenten und fordert seinen Rücktritt. Biedenkopf bezeichnet die Vorwürfe als abstrus; dass er sich für Investoren einsetze, liege im Interesse des Freistaats.
Doch es rumort auch in seiner eigenen Partei. „Der Ministerpräsident und auch der Untersuchungsausschuss müssen sehr gezielt den Eindruck widerlegen, der beim Lesen der Briefe entstehen kann“, fordert der frühere Innenminister Heinz Eggert, „dass nämlich der Ministerpräsident der Befehlsempfänger eines Investors gewesen ist“.
(von Jens Schneider)